„Eine gründungsunterstützende Institution, der Rektorat und Senat zugestimmt haben, besitzt einfach eine größere Legitimation.“
Im Rahmen der Initiative „Exzellenz Start-up Center.NRW“ sind die geförderten Hochschulen dazu angehalten, zentrale Betriebseinheiten (zBE) einzurichten und ihre Gründungsunterstützung bzw. ihren Gründungsservice dort anzusiedeln. Grundlage hierfür bildet das Gesetz über die Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen (§ 29). Die organisatorische Verankerung soll dafür sorgen, dass auch nach Ablauf der Förderung die notwendigen Mittel zur Verfügung stehen, um Personalstellen, Infrastruktur und den Weiterbetrieb der gründungsunterstützenden Maßnahmen sicherzustellen. Inwieweit dies gelungen ist, darüber berichten Prof. Dr. Werner Reinartz, Prorektor für Transfer in die Gesellschaft an der Universität zu Köln, und Prof. Dr. René Fahr, Vizepräsident für Wissens- und Technologietransfer an der Universität Paderborn, im folgenden Interview.
Herr Professor Reinartz, an der Universität zu Köln gibt es seit 2021 die zentrale Betriebseinheit (zBE) „Exzellenz Start-up Center Gateway“. Was waren die Gründe für die Einrichtung einer solchen zBE?
Prof. Reinartz: Der Beschluss dafür fiel bereits im September 2020 durch das Rektorat und den Senat der Uni Köln. Davor war das Gateway als Stabsstelle in der Verwaltung angesiedelt. Auf Betreiben des Rektorats sowie auf Veranlassung des Wirtschaftsministeriums Nordrhein-Westfalen im Rahmen der Initiative Exzellenz Start-up Center.NRW wurde der komplette Gründungsbereich des Gateway dann in eine zBE ausgegliedert. Ziel war es, der Gründungsunterstützung an der Uni Köln damit zu mehr Sichtbarkeit zu verhelfen und nicht zuletzt ein nachhaltiges Angebot für unsere gründungsinteressierten Studierenden, Absolventinnen und Absolventen sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu schaffen.
Hätte man das nicht auch mit einer Stabsstelle erreichen können?
Prof. Reinartz: Eine Institution, deren Gründung Rektorat und Senat zugestimmt haben, besitzt einfach eine größere Legitimation. Außerdem sind wir als zentrale Betriebseinheit enger an das Rektorat gekoppelt. Insbesondere durch die Einrichtung des neuen Prorektorates für Transfer in die Gesellschaft ist die inhaltliche Verschränkung erreicht. Dadurch hat das Thema Entrepreneurship insgesamt eine größere Bedeutung auf dem Campus erhalten.
Außerdem wollten wir von diesem Verwaltungscharakter weg und stattdessen als agile Anlaufstelle für Gründungsteams und Start-ups wahrgenommen werden, die den gesamten Gründungsprozess von Anfang bis Ende in toto im Blick hat. Eine Managementbrille statt einer Verwaltungsbrille passt hier einfach besser. Und das geht mit einer zentralen Betriebseinheit viel einfacher.
Herr Professor Fahr, das Center für Transfer durch Existenzgründung der Universität Paderborn (TECUP) wurde 2023 in eine zentrale Betriebseinheit umgewandelt. Was waren die Gründe dafür?
Prof. Fahr: An der Universität Paderborn war der gründungsbasierte Transfer mit dem TECUP, dem Inkubator garage33 und dem Förderprojekt Exzellenz Start-up Center OWL an der Professur für International Business verankert. Die beiden Professoren Rüdiger Kabst und Sebastian Vogt haben dann, auch mit Unterstützung der Stadt Paderborn und lokaler Unternehmen, die garage33 als erfolgreiche Marke etabliert. Damit stieg die Nachfrage vonseiten unserer gründungsinteressierten Studierenden und Forschenden kontinuierlich an. Das war natürlich von der Governance her schwierig, da dieser universitätsweite Service im Gründungsbereich keine Fakultätsangelegenheit sein konnte.
Darüber hinaus sollte ein Teil der befristeten Stellen unseres Gründungsservices in feste Stellen umgewandelt werden. Das war eine Auflage im Rahmen der Förderinitiative Exzellenz Start-up Center.NRW und letztlich nur auf dem Wege einer zentralen Betriebseinheit möglich, die vom Rektorat und von den Hochschulgremien legitimiert werden musste. Im ersten Schritt ist nun angedacht, elf Vollzeitstellen zu verstetigen.
Herr Professor Reinartz, Sie sagten, dass die zentrale Betriebseinheit (zBE) an der Uni Köln zu einer erhöhten Wahrnehmung des Gründungsthemas beitragen sollte. Haben sich die Erwartungen erfüllt?
Prof. Reinartz: Auf jeden Fall. Das Gateway lässt sich dadurch viel besser als eigenständige Marke in Anführungsstrichen vermarkten und kommunizieren. Wobei man nicht vergessen darf, dass mit der Eröffnung unseres Innovations- und Gründungszentrums im Juni 2023, dem InnoDom Cologne, die physische Sichtbarkeit unserer Gründungsaktivitäten noch einmal einen deutlichen Schub erhalten haben.
Insgesamt hat die stärkere Wahrnehmung dazu geführt, dass es heute einfacher für uns ist, Multiplikatorinnen und Multiplikatoren sowie Investorinnen und Investoren zu gewinnen. Sowohl unser Gründungsservice als auch unsere Start-ups genießen sowohl innerhalb als auch außerdem der Hochschule eine spürbar größere Anerkennung. Hinzu kommt, dass wir eine kontinuierliche und überdurchschnittliche Steigerung der Gründungsaktivitäten verzeichnen – obwohl das Gründungsinteresse bundesweit insgesamt etwas nachgelassen hat. Von daher stehen wir vor der großen Herausforderung, unser Niveau zu halten bzw. weiter anzuheben. Ich denke aber, die Chancen dafür stehen gut. Nicht zuletzt, weil wir nun elf feste Vollzeitstellen im Gateway einrichten konnten.
Hat die Einrichtung einer zentralen Betriebseinheit (zBE) auch dazu beigetragen, dass sich Gründung und Entrepreneurship in der Lehre und Forschung durchgesetzt haben?
Prof. Fahr: Für die Uni Paderborn kann ich sagen, dass diese Entwicklung kontinuierlich voranschreitet. Das hängt auch damit zusammen, dass das TECUP bzw. die garage33 mittlerweile mit dem Start-up Campus OWL ein eigenes Gebäude hat und dadurch hochschulweit für alle Fakultäten sichtbarer geworden sind.
Aber um auf Ihre Frage von vorhin zurückzukommen: Natürlich kann man sagen, dass sich diese positive Wahrnehmung des Gründungsthemas auch unabhängig von einer zentralen Betriebseinheit hätte entwickeln können. Nur haben wir einfach deutlich gemerkt, dass mit einer zBE deutliche Vorteile verbunden sind. Solange das Thema Gründung an einer Fakultät angesiedelt ist, wird es womöglich nur als Steckenpferd eines Lehrstuhls wahrgenommen, das von den Kolleginnen und Kollegen in den anderen Fakultäten nicht unbedingt ernst genommen werden muss. Mit der Einrichtung einer zentralen Betriebseinheit ändert sich das Bild komplett. Die Förderung von Gründungen ist damit eine zentrale Aufgabe der Universität und eine anerkannte Säule des Transferbereichs. Mit diesem Bedeutungsgewinn innerhalb der Hochschule ist nicht nur der Zugang zu den anderen Fakultäten einfacher geworden – auch die Bereitschaft, uns zu unterstützen, hat deutlich zugenommen. Für die Schaffung einer hochschulweiten Gründungskultur ist dies eine entscheidende Voraussetzung. Sie bringt auch eine Art Schneeballeffekt mit sich. Je mehr gut betreute Gründungsteams wir haben, desto größer ist die Zahl derjenigen, die bei Innovationswettbewerben erfolgreich abschneiden. Und das wiederum sorgt vermehrt für Anerkennung und Aufmerksamkeit – sowohl innerhalb der Hochschule als auch in der Region.
Herr Professor Reinartz, haben Sie an der Uni Köln ähnliche Erfahrungen gemacht?
Prof. Reinartz: Ja, wobei es tatsächlich viele einzelne Bausteine sind, die da ineinandergreifen, um das Gründungsthema nach vorne zu bringen. Wir haben zum Beispiel an der Uni Köln nicht nur zwei „klassische“ Entrepreneurship-Lehrstühle, sondern darüber hinaus gründungsbezogene Professuren in den Bereichen Business Analytics und Data Analytics sowie in der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät, der Humanwissenschaftlichen und der Medizinischen Fakultät eingerichtet. Wir haben zudem in den einzelnen Fakultäten Transfer-Scouts etabliert, die dort fachspezifisch Studierende sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für das Thema Gründung sensibilisieren, geeignete Ideen identifizieren und bei der Entwicklung von Geschäftsideen unterstützen, auf Veranstaltungen hinweisen und so weiter. Hinzu kommt die Einbettung des Themas in hochschulinterne Netzwerke als auch in das regionale Start-up-Ökosystem. Es kommen also noch viele andere Aspekte hinzu, die dem hochschuleigenen Gründungsgeist auf die Sprünge helfen, wobei die organisatorische Verankerung als zentrale Betriebseinheit dabei zweifellos für den notwendigen Auftrieb sorgt.
Und es bleibt noch viel zu tun: Wir möchten zum Beispiel alle Gremien an der Universität zu Köln dafür sensibilisieren, die Themen Gründung und Start-ups bei allen Entscheidungen im Hinterkopf zu behalten. Gerade bei Entscheidungen, die die Verwaltung betreffen, wünschen wir uns, dass zukünftig immer auch die Konsequenzen für unsere Gründungsteams bedacht werden. Das ist bei vielen Mitgliedern in den Gremien noch nicht hinreichend angekommen und zweifelsohne an einer so großen öffentlichen Institution wie der Universität Köln mit langwieriger und intensiver Überzeugungsarbeit verbunden.
Herr Professor Fahr, was würden Sie anderen Hochschulen empfehlen, die eventuell mit dem Gedanken spielen, eine zentrale Betriebseinheit zum Thema Gründung zu installieren?
Prof. Fahr: Man darf sich auf jeden Fall nicht vor dem Gang durch die Institutionen, sprich: Gremien, scheuen. Uns haben damals unsere Gründungsbotschafterinnen und -botschafter sehr dabei geholfen, die Kolleginnen und Kollegen von den Vorteilen einer zBE zur Förderung von Gründungen an der Uni Paderborn zu überzeugen. Das waren bzw. sind gründungsaffine Professorinnen und Professoren aus unterschiedlichen Fakultäten, die auch als Beiratsmitglieder der zentralen Betriebseinheit vorgesehen waren. Die hatten wir frühzeitig ins Boot geholt und sie gebeten, die Thematik in ihren Fakultäten zu kommunizieren und dadurch den Prozess voranzutreiben. Das war ein Schlüsselpunkt, der uns sehr geholfen hat, auch Skeptiker, – die es ja überall gibt –, zu überzeugen.
Ich möchte aber noch auf einen wichtigen Punkt zu sprechen kommen, den Herr Reinartz mit der Platzierung des Gründungsthemas in den verschiedenen Gremien aufgebracht hat. Wir haben an der Universität Paderborn einen Transferkreis mit Professorinnen und Professoren aus den verschiedenen Fakultäten installiert, um unsere Transferstrategie weiterzuentwickeln. Die Tatsache, dass die hochschulbezogene Förderung der Gründungsaktivitäten darin eine große Rolle spielt, kommt nicht von ungefähr. Ich möchte damit sagen, dass man das Engagement von Professoren und Professorinnen für den Gründungsbereich durch entsprechende Beteiligungs- und Wertschätzungsmaßnahmen fördern muss. An dieser Einbettung des Gründungsthemas in die verschiedenen Handlungsebenen der Hochschule muss man fortlaufend arbeiten. Das kann man nicht durch Beschluss der Hochschulleitung herbeiführen.
Weitere Informationen:
- Train-the-Trainer: smart-up.NRW
- Instrumente der Gründungsunterstützung
- Landesweite Hochschulinitiativen
- Fokusthemen
- Start-up Transfer.NRW
- Interview mit Dr. Ronald Kriedel, CET Centrum für Entrepreneurship & Transfer
- Interview mit Prof. Dr. Werner Reinartz (Universität zu Köln) und Prof. Dr. René Fahr (Universität Paderborn)
- Interview mit Prof. Dr. Tessa Flatten, TU Dortmund
- Interview mit Frederik Grunewald, Leiter des Teilprojekts enableUS an der Universität Siegen
- Interview mit Marc Kley, Geschäftsführender Direktor des Gateway Exzellenz Start-up Center an der Universität zu Köln
- Interview mit Professor Sebastian Vogt, Geschäftsführer des Technologietransfer- & Existenzgründungs-Centers an der Universität Paderborn.
- Interview mit Sven Schneider, Head of Future Business Design, Miele & Cie. KG
- Interview mit Andreas Hartmann, geschäftsführender Gesellschafter der Hartmann International GmbH & Co. KG
- Interview mit Prof. Dr. Friederike Welter, IfM Bonn und Universität Siegen sowie Prof. Dr. Christian Schwens, Universität zu Köln
- Interview mit Thorsten Fluck, Mentor beim CET - Centrum für Entrepreneurship & Transfer an der Technischen Universität Dortmund
- Mit vereinten Kräften
- Digitale Ideen umsetzen
- Keimzellen für innovative Start-ups
- Vielversprechende Zwischenbilanz
- Rückenwind für Gründerinnen und Gründer
- „Gründen? Mach‘ ich mit links!“
- „Kunden? Welche Kunden?“
- „Mal’n bißchen Geld verdienen.“
- „Wir sind die ersten und einzigen!“
- „Unsere Kunden stehen vor der Tür.“
- „Bei uns kann jeder alles.“
- „Alle Zeit der Welt“
- „Über Geld sprechen wir nicht.“
- „Wir sind’s“
- Interview mit Dr. Alexander Hirschfeld, Bundesverband Deutsche Startups e.V.
- Interview mit Markus Lewe, Oberbürgermeister der Stadt Münster
- Interview mit Prof. Dr. Andreas Pinkwart, ehem. Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen
- Förderprogramme
- Gründungsnetzwerke
- Service