Start-up Transfer.NRW: Aufwind für innovative und wissenschaftsbasierte Gründungen
Seit 2015 unterstützt das Land Nordrhein-Westfalen (NRW) wissenschaftsbasierte Gründungsteams mit dem Programm „Start-up Transfer.NRW“. Es ist neben der Initiative „Exzellenz Start-up Center.NRW“ der wichtigste Baustein, um innovative Gründungen aus Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen voranzutreiben.
„Besonders gut gefallen hat uns, dass Start-up Transfer.NRW den Fokus auf die wirtschaftliche Verwertung von Forschungsergebnissen setzt und die Gründung eines eigenen Unternehmens zum Ziel hat. Durch die zweijährige Förderung hatten wir die Mittel, um die für uns notwendige Hardware zu beschaffen und ausreichend Zeit, die praktische Anwendung unserer theoretischen Ergebnisse zu testen“, sagt Mladen Milicevic, Geschäftsführer und Co-Gründer der Unchained Robotics GmbH. Die Ausgründung der Universität Paderborn entwickelt Robotiklösungen für Industrieunternehmen. Das Gründungsteam hat von 2019 bis 2020 Start-up Transfer.NRW erhalten. Heute ist das Unternehmen europaweit tätig und beschäftigt 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Unchained Robotics gehört zu den ursprünglich 69 Unternehmen, die von 2015 bis August 2024 mit Hilfe von Start-up Transfer.NRW entstanden sind. Die Gründerinnen und Gründer kommen aus Hochschulen für Angewandte Wissenschaften, Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen. 57 der Unternehmen haben sich inzwischen erfolgreich am Markt etabliert und Arbeitsplätze für etwa 370 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geschaffen. Insofern erfüllt Start-up Transfer.NRW die bisherigen Erwartungen: Es mobilisiert das Gründungspotenzial in Forschungs- und Bildungseinrichtungen und unterstützt Gründungsinteressierte aus Wissenschaft und Forschung bei ihren Gründungsvorbereitungen.
Offen für innovative Ideen aus allen Hochschul- und Forschungsbereichen
Ein Grund dafür liegt nicht zuletzt in der Themenoffenheit des Programms. Die macht sich bei der Vielfalt der Anträge immer wieder bemerkbar, wie Dr. Hendrik Vollrath vom Projektträger Jülich weiß: „Über die Jahre lässt sich tatsächlich ein weiter thematischer Bogen spannen. Es gibt natürlich Schwerpunkte, wie die Ingenieurwissenschaften und hier besonders die Informations- und Kommunikationstechnik und Medizintechnik. Die Zahl der Anträge aus den Bereichen Pharmazie, Biotechnologie und überhaupt den Life Sciences ist dagegen zwar deutlich geringer. Dennoch erhalten wir auch hier kontinuierlich Anträge. Dazu kommen auch immer wieder Anträge aus der Bildungs- und Kreativbranche. Insgesamt fällt außerdem auf, dass inzwischen überwiegend Gründungsideen entwickelt werden, die Künstliche Intelligenz nutzen.“
Die Jury überzeugen: Darauf kommt es an
Die Teams, die es geschafft haben, die Jury von sich und ihrer Idee zu überzeugen, haben dabei gezeigt, dass es nicht nur wichtig ist, eine gute Idee zu haben. Sie haben sie vielmehr auch „rübergebracht“! Und nicht nur das. Die Teams konnten zum Beispiel deutlich machen, dass ihre geplanten Produkte, Dienstleistungen oder Verfahren gute Chancen haben, auf dem Markt nachgefragt zu werden. Und: Sie haben in ihrem Geschäftskonzept beschrieben, wie sie ihre Ideen zur Marktreife führen möchten. Beide Punkte sind ganz entscheidende Voraussetzungen für eine Förderung. Darauf weist Dr. Claas Heise von der NRW.BANK und Juryvorsitzender bei Start-up Transfer.NRW hin: „Die erfolgreichen Teams haben immer gezeigt, welches Problem sie für ihre zukünftigen Kundinnen und Kunden lösen möchten. Das haben sie der interdisziplinär zusammengesetzten Jury nachvollziehbar vermittelt. Und: Sie haben bereits recherchiert, ob potenzielle Kundinnen und Kundinnen auch tatsächlich bereit sind, Geld dafür zu bezahlen.“ Das ist aber noch nicht alles. Denn die Teams, die ihr Vorhaben erfolgreich vor der Jury präsentiert haben, möchten mit ihrem zukünftigen Start-up zukünftig in der oberen Liga spielen. Das ist nicht selbstverständlich, so die Erfahrung von Dr. Claas Heise: „Wir erleben immer wieder Teams, die planen, dass sie nach fünf Jahren etwa fünf bis sieben Mitarbeitende haben und einen Umsatz von 2.000.000 Euro erwirtschaften. Aber das ist eine Unternehmensgröße, die uns für eine Förderung durch Start-up Transfer.NRW im Verhältnis zur Fördersumme zu klein erscheint. Für uns ist entscheidend, dass das Team über eine skalierbare Idee verfügt und ein starkes und solides Wachstum anstrebt, das mit Beteiligungskapital finanziert werden kann.“
All diese Voraussetzungen hat das Gründungsteams der aalto health GmbH erfüllt. Das Gründungsteam besteht aus einem Mediziner, einem Rechtsanwalt und einem Designer, der Erfahrungen in der Softwareentwicklung mitbringt. Ihre Idee: Eine App zur digitalen Therapie funktioneller, psychosomatisch bedingter Körperbeschwerden. Die drei haben sich im vergangenen Jahr zusammengetan, um ihre Gründungsidee umzusetzen. Seit Mai 2024 werden sie über Start-up Transfer.NRW gefördert. Damit sind sie über die gesamte Programmlaufzeit als wissenschaftliche Mitarbeiter an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf angestellt. Bei ihren Gründungsvorbereitungen werden sie vom dortigen Center for Entrepreneurship Düsseldorf, CEDUS, unterstützt. Warum die Wahl auf Start-up Transfer.NRW fiel, erklärt Teammitglied Tobias Barg so: „Start-up-Transfer.NRW passt sehr gut zu unserem Vorhaben. Es beinhaltet ein relativ hohes Fördervolumen, das wir für Personal, für die Entwicklung unserer App, für Marktrecherchen usw. und die Durchführung von Studien zum Nachweis der hohen Wirksamkeit unserer Anwendung verwenden können. Es ist also sehr flexibel. Hinzu kommt die inhaltliche Unterstützung durch die Arbeitsgruppe Klinische Psychologie an der Universität Düsseldorf, mit der wir sehr eng zusammenarbeiten.“
Die Zusammensetzung der Teams wie das der aalto health GmbH spielt natürlich ebenfalls eine wichtige Rolle beim Auswahlprozess. Die Kompetenzen, um die angedachte Lösung zu entwickeln, müssen im Team vorhanden sein. Trotzdem macht Dr. Heise als Juryvorsitzender mitunter andere Erfahrungen: „Wir haben manchmal Teams aus dem betriebswirtschaftlichen oder einem anderen nichttechnischen Bereich, die zum Beispiel die Idee für eine Software haben, aber selbst nicht über die notwendigen Programmierkenntnisse verfügen. Da heißt es dann: ‚Das lassen wir extern machen.‘ Das ist etwas, was ein späterer Investor sehr ungern sieht, weil dann das Kern-Know-how nicht innerhalb des Unternehmens liegt. Genauso verhält es sich auch mit rein ingenieurwissenschaftlich besetzten Teams. Denen fehlt oft das betriebswirtschaftliche Know-how. Die haben sich zum Teil noch nicht mal Gedanken darüber gemacht, wie sie mit ihrer Idee Geld verdienen können.“ Dabei bietet Start-up Transfer.NRW den Teams durchaus die Möglichkeit, fehlende Kompetenzen durch Personen mit betriebswirtschaftlichem oder technisch-wissenschaftlichem Know-how und ohne akademischen Abschluss auszugleichen.
Start-up Transfer.NRW: Geld und Know-how
Insgesamt unterstützt das Programm jedes Gründungsteam mit bis zu 300.000 Euro. Davon werden 270.000 Euro vom Land NRW und der europäischen Regionalförderung (EFRE/JTF-Programm NRW 2021-2027) bereitgestellt. Zehn Prozent der förderfähigen Gesamtausgaben steuert die jeweilige Hochschule oder außeruniversitäre Forschungseinrichtung als Eigenbeteiligung bei. Das Besondere ist: Die Fördermittel stehen nicht nur für Sachausgaben zur Verfügung, sondern beinhalten auch eine Personalpauschale. Hintergrund ist: Die Gründerinnen und Gründer werden während der bis zu 24-monatigen Laufzeit an den Hochschulen oder Forschungseinrichtungen als wissenschaftliche Mitarbeitende sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Die Ausgaben dafür werden über die Personalpauschale finanziert. Die Gründerinnen und Gründer können sich also voll und ganz auf ihre Vorbereitungen konzentrieren und zum Beispiel einen Prototyp anfertigen oder ihre Dienstleistung weiterentwickeln, um ihr Geschäftskonzept zu validieren. Dafür stehen ihnen nicht nur ein Büro, sondern auch Labore, Software, Geräte und Maschinen zur Verfügung.
Darüber hinaus erhalten sie ein begleitendes Mentoring durch einen Lehrstuhl oder Fachbereich der jeweiligen Hochschule. Damit wird sichergestellt, dass die Teams sowohl Zugriff auf die notwendige wissenschaftliche Expertise als auch Zugang zu weiteren Expertinnen und Experten haben. Aber das ist noch nicht alles, denn schließlich sollen aus den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erfolgreiche Unternehmerinnen und Unternehmer werden. Hierfür steht ihnen ein branchen- und gründungserfahrener Coach zur Seite, der oder die das Team auf seine unternehmerische Rolle vorbereitet.
Entscheidungshilfe: Start-up Transfer.NRW oder EXIST-Forschungstransfer?
Alles in allem ist Start-up Transfer.NRW also ein sehr kompaktes und intensives Programm, das einen wichtigen Beitrag dazu leistet, Gründerinnen und Gründer auf einen möglichst erfolgversprechenden Start ins Unternehmerinnen- bzw. Unternehmerleben vorzubereiten. Hochschulen, Forschungseinrichtungen, Gründungsservices sowie Investorinnen und Investoren kennen und schätzen das Landesprogramm. Es ist aber nicht das einzige Förderprogramm für Gründungsinteressierte an Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Auch der Bund bietet attraktive Programme an: allen voran EXIST-Forschungstransfer. Für wissenschaftsbasierte und innovative Gründungsteams aus NRW stellt sich daher die Frage, welches Programm tatsächlich am besten geeignet ist. Entscheidungshilfe bietet Dr. Hendrik Vollrath: „Start-up Transfer.NRW und EXIST-Forschungstransfer haben beide anspruchsvolle wissenschaftsbasierte Gründungsprojekte im Visier. Bei EXIST-Forschungstransfer-Projekten wird aber tatsächliche Spitzentechnologie erwartet. In der Regel muss das geplante Verfahren oder Produkt bereits patentiert und der Proof of Principle im Vorfeld der Förderung erbracht worden sein. Das muss bei Start-up Transfer.NRW nicht der Fall sein. Hinzu kommt, dass das Landesprogramm Gründerinnen und Gründern mehr Flexibilität bietet. So kommen dort zum Beispiel auch Einzelpersonen sowie Absolventinnen und Absolventen mit einem Bachelorabschluss zum Zug. Vom Fördervolumen her ist EXIST-Forschungstransfer wiederum wesentlich umfangreicher, auch der Förderzeitraum ist in der Regel länger als bei Start-up Transfer.NRW. Was möglich ist und hin und wieder auch von den Teams praktiziert wird, ist, das Gründungsvorhaben mit Hilfe von Start-up Transfer.NRW so weit vorzubereiten, dass die Voraussetzungen für EXIST-Forschungstransfer erfüllt werden.“
Förderung und Finanzierung im Anschluss an Start-up Transfer.NRW
Wobei nicht nur EXIST-Forschungstransfer als Anschlussförderung denkbar ist. In Frage kommt zum Beispiel auch der Go-to-Market Gutschein im Rahmen des EFRE/JTF-Programms NRW 2021 - 2027. Oder technologiespezifische Gründungsprogramme des Bundes wie zum Beispiel GO-Bio oder StartUpConnect. Auch sie ermöglichen den Gründungsteams, sich weiter auf den Markteintritt vorzubereiten. Vermieden werden sollten dabei aber sogenannte „Förderkarrieren“. Davor warnt Dr. Claas Heise, Leiter des Venture Capital-Geschäfts der NRW.BANK: „Meiner Erfahrung nach ist es am besten, wenn die Gründungsteams so früh wie möglich ins ‚kalte Wasser springen‘ und den Kontakt mit der ‚harten‘ Realität aufnehmen. Verkaufsgespräche führen, Verträge schließen, zuverlässig liefern: All das sollte man nicht so weit hinausschieben.“
Im Gegenteil: Start-ups, die zeigen, dass sie das Zeug zu einem vielversprechenden Wachstumsunternehmen haben, haben gute Chancen, einen Business Angels zu finden, der sie mit Kapital und Know-how unterstützt. Ergänzend dazu bietet die NRW.BANK mit ihrem Programm NRW.SeedCon innovativen Unternehmen in der Frühphase ein Wandeldarlehen von bis zu 200.000 Euro an. Das Besondere dabei ist, dass es zu einem späteren Zeitpunkt von einem Darlehen in eine Unternehmensbeteiligung umgewandelt werden kann.
Ob ein Darlehen wie NRW.SeedCon oder eine größere Finanzierung für sie in Frage kommt, wollen Katharina von Stauffenberg, Silke Sommer und Guy Malachi bis Ende des Jahres entscheiden. Bis August 2024 bekommen die drei Gründerinnen an der Universität Münster noch die Förderung von Start-up Transfer.NRW. Damit entwickeln sie eine Plattform für ein kommunales integriertes Nachhaltigkeitsmanagement. Für sie sei das Förderprogramm ideal, sagt Katharina von Stauffenberg: „Mit Hilfe von Start-up-Transfer.NRW entwickeln wir eine digitale Lösung, mit der wir zukünftig auch zur Innovations- und Nachhaltigkeitsstrategie des Landes NRW beitragen. Wir gestalten die Lösung aus dem öffentlichen Sektor heraus und im Schulterschluss mit den öffentlichen Verwaltungen. Und am Ende geben wir dem Land bzw. der Öffentlichkeit dann gewissermaßen etwas zurück. Dass wir den Kreis so schließen können, ist ziemlich perfekt.“
Die nächste Einreichungsrunde für Start-up Transfer.NRW startet im November 2024.
Weitere Informationen:
Innovationsförderagentur NRW: Start-up Transfer.NRW
Fördermaßnahmen im EFRE/JTF-Programm NRW 2021-2027
EXIST-Forschungstransfer
NRW.SeedCon
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