„Als Start-up-Team hat man jede Menge Themen auf dem Tisch. Da war es einfach gut, mit fachlich versierten Leuten zu sprechen.“
Ökologie und Ökonomie unter einen Hut zu bringen, ist oft gar nicht so einfach. Dabei hängen beide eng miteinander zusammen. Nur: Wie lässt sich dieser Zusammenhang am besten visualisieren und für Unternehmen nutzbar machen? Dana Aleff und Erik Müller haben dafür mit ihrer Decision-Intelligence-Plattform eine Lösung entwickelt. Seit 2022 sind sie mit ihrer Circonomit GmbH erfolgreich am Markt. Nachdem sie bei ihren ersten unternehmerischen Schritten von der RWTH Innovation unterstützt wurden, nutzen Sie aktuell das Programm des Circular Valley.
Frau Aleff, Sie entwickeln gemeinsam mit Ihrem Co-Founder Erik Müller eine Decision-Intelligence-Plattform. Sie möchten damit die Themen Nachhaltigkeit und Finanzen in Geschäftsprozessen näher zusammenzubringen. Wie genau soll das funktionieren?
Aleff: Hintergrund ist, dass unsere Umwelt mehr denn je Einfluss auf viele Geschäftsprozesse in Unternehmen hat. Bei Materialbestellungen zum Beispiel spielen Umweltkriterien wie Kohlendioxidausstoß, Wasserverbrauch, Wiederverwertung usw. eine zunehmend wichtige Rolle. Das ist nicht zuletzt auf die aktuelle Gesetzgebung zurückzuführen. Die CO2-Bepreisung für Emissionen aus der Verbrennung von Kohle, das Lieferkettengesetz oder auch die Verpflichtung zu verschiedenen unweltrelevanten Reportings usw. stellen Unternehmen vor eine große Herausforderung. Wir möchten daher mit unserer „grünen“ Buchhaltung diese sehr komplexe Aufgabe beherrschbarer machen. Dazu erstellen wir Umweltdaten für Rohstoffe, Produkte und Prozesse. Wie hoch ist zum Beispiel die Rezyklierfähigkeit bei dem Material xy? Wie hoch sind die CO2-Emmissionen am Produktionsstandort xx? Wie hoch ist der Wasserverbrauch für die Herstellung des Produkts yy? Usw. Die Daten sind wie wiederverwendbare Bausteine. Die Bausteinlogik ermöglicht es verschiedenste Abhängigkeiten von Produkten und Prozessen in jedem Detailgrad aufzubauen um Business Cases auf ihre ökologische und ökonomische „Bottomline“ hin durchzurechen. Jedes Unternehmen erhält also dazu einen schnellen und transparenten Überblick über alle umweltrelevanten Daten, die in seinen Geschäftsbereichen, den Standorten und einzelnen Produktionshallen bis hin zu einzelnen Produkten, Baugruppen und Komponenten entstehen.
Und was hat es mit der „grünen“ Buchhaltung auf sich?
Aleff: Die von uns zusammengestellten Daten geben auch Auskunft über Finanzkennzahlen und die Kosten des Ressourcenverbrauchs. Dadurch lässt sich ein Zusammenhang von ökologischen und ökonomischen Zieldimensionen in Geschäftsprozessen herstellen. Wie viel kostet zum Beispiel der aktuelle Wasserverbrauch und wie viel ließe sich durch eine effektivere Nutzung einsparen? Oder wie viel kostet die aktuelle Energie, die ich zur Wärmeerzeugung benötige und wie viele der Kosten ließe sich zum Beispiel durch andere Energieträger oder durch Energiesparmaßnahmen reduzieren?Auf diese Weise kann ich als Unternehmerin die Auswirkungen von Produkt- und Prozessänderungen unter Berücksichtigung verschiedener Zieldimensionen visualisieren und optimieren.
Woher beziehen Sie die Informationen dafür?
Aleff: Wir greifen auf Datenbanken zurück, die zum Teil auch mit Unterstützung der EU über die letzten Jahrzehnte aufgebaut wurden. Daraus geht zum Beispiel hervor, welchen CO₂-Fußabdruck ein Kilogramm Stahl hat, das in dem Land xx mit dem und dem Energieträger und den Rohstoffen aus dem Land yy produziert wird. Diese Werte beruhen jedoch auf Durchschnittsdaten und sind in der Zukunft nicht mehr ausreichend. Unser Ziel ist daher, einen „Baukasten“ anzubieten, in den jedes Unternehmen die Durchschnittsdaten nach und nach durch seine eigenen Daten ersetzen. Es schnürt sich also sein individuelles Datenpaket und bekommt einen Überblick darüber, wie viel Energie es tatsächlich bei der unternehmenseigenen Herstellung von einem Kilogramm Stahl erzeugt. Bei der Gewinnung der Erze? Bei der eigentlichen Stahlproduktion? Beim Transport? Usw. Wie viele Emissionen werden dabei freigesetzt? Welche umweltschädlichen Chemikalien werden eingesetzt?
In welchem Kontext ist die Idee entstanden?
Aleff: Mein Mitgründer, Erik Müller, ist Software-Ingenieur. Ich selbst habe Maschinenbau studiert und war in der Forschung im Bereich Produktions- und Energiesystemtechnik tätig. Dort habe ich an großen Industrieprojekten mitgewirkt die Umweltdaten aufzubauen. Über die Jahre hat sich dann immer mehr die Frage herauskristallisiert, wie sich ökologische und ökonomische Effekte von unternehmerischen Entscheidungen transparent darstellen lassen. Wir haben da einen großen Bedarf gesehen. Auf Grundlage unserer Erfahrungen, unter anderem auch beim Aufbau von Umweltdatenbanken, haben wir dann in einem iterativen Prozess unsere Software entwickelt.
Sie hatten Ihr Start-up schon gegründet als Sie der Weg zur RWTH Innovation geführt hat. Warum haben Sie sich an das Gründungsnetzwerk der RWTH gewandt?
Aleff: Richtig, wir hatten die Circonomit GmbHschon gegründet und wertschätzten dennoch das Wissen aus dem Ökosystem um die RWTH Innovation auch mit Fragen nach der legalen Gründung. Insofern haben wir von den Erfahrungen der Beraterinnen profitiert und sind sehr dankbar für das Aachener Ökosystem. Als Start-up-Team hat man ja jede Menge Themen auf dem Tisch. Da war es einfach gut, mit fachlich versierten Leuten zu sprechen.
Sie nehmen außerdem an einem Programm des Circular Valley teil. Wie läuft es?
Aleff: Wir haben mit dem Programm erst Anfang Oktober 2024 begonnen. Das, was ich schon jetzt großartig finde, ist der Zugang zu dem großen NRW-weiten Unternehmensnetzwerk. Dazu gehören Unternehmen, die ihre Produktion in Richtung Kreislaufwirtschaft weiterentwickeln möchten. Letztendlich ist dieses Circular Valley eine wichtige Schnittstelle für impactorientierte Start-ups, weil wir darüber potentielle Kunden kennenlernen und wichtiges Feedback aus der Industrie erhalten. Für uns ist es außerdem eine tolle Erfahrung, dass sich die Unternehmen tatsächlich sehr darüber freuen, dass ihnen innovative Lösungen präsentiert werden. Das ist übrigens auch Bestandteil des Bewerbungsprozesses. Die Start-ups müssen tatsächlich schon Lösungen parat haben, die zu den Fragestellungen bzw. zum Bedarf der etablierten Unternehmen passen. Das war auch der entscheidende Grund, warum wir uns für das Programm des Circular Valley beworben hatten: weil es nicht zu den Acceleratoren gehört, in denen allgemein über das Business-Modell gesprochen wird, sondern wo man sich mit realen Unternehmen über denkbare Lösungen austauscht und voneinander lernt.
Gab es auch größere Herausforderungen im Rahmen Ihrer bisherigen Gründungsvorbereitungen oder unternehmerischen Anlaufphase?
Aleff: Was ich rückwirkend sehr kritisch sehe, ist, dass die meisten Gründungsberatungsangebote oder auch Businessplan-Wettbewerb alle Themen, die ein junges Unternehmen betreffen, gleichrangig behandeln. Da geht es dann um rechtliche Fragen, um Förderprogramme und Finanzen, ums Produkt, ums Team usw. Das sind aber alles Themen, die nie relevant werden, wenn man nicht ein reales Problem am Markt löst. Das, was am Anfang zählt ist zu definieren, wo ein genügend großes Problem im Markt existiert und dann iterieren wie ich dieses Problem mit klarem Mehrwert lösen kann. Wenn ich darauf keine Antwort habe, brauche ich mir über alle weiteren Schritte eigentlich keine Gedanken mehr zu machen, weil es mich dann früher als später nicht mehr gibt. Insofern war für uns rückblickend die anfängliche De-Fokussierung und fehlende Priorisierung die größte Herausforderung.
Inzwischen war die Frage der Förderung aber auch ein Thema für Sie. Welches Förderprogramm haben Sie in Anspruch genommen?
Aleff: Das Programm MID-Assistent/in vom Wirtschaftsministerium NRW. Das war wirklich toll. Damit konnten wir die Personalkosten für unseren ersten Mitarbeiter anteilig finanzieren. Voraussetzung war, dass wir selbst eine fünfstellige Summe einbringen ins Unternehmen. Dafür haben wir unser Erspartes aus der Arbeit in der Forschung genommen und haben es seit her keine Sekunde bereut. Insgesamt hat uns die Förderung für den Start sehr geholfen. Es war sehr fair, sehr unkompliziert, sehr positiv in der Zusammenarbeit.
Und wie finanzieren Sie Ihre laufenden Kosten und Ihren Lebensunterhalt?
Aleff: Wir haben bereits zahlende Kunden. Mit den Einnahmen können wir einen relevanten Teil der betrieblichen Kosten sowie unseren Lebensunterhalt decken. Außerdem haben wir seit einem Jahr mehrere Business Angels an Bord, die sich mit ihrem Kapital an unserem Start-up beteiligt haben.
Also läuft im Prinzip alles ganz gut?
Aleff: Ja. Ich glaube, entscheidend war, dass es irgendwann diesen Tipping Point gab. Wir hatten plötzlich begriffen, worauf es ankommt und haben uns darauf fokussiert. Das hat uns unglaublich Auftrieb verschafft. Dadurch ist es uns auch gelungen, organisch zu wachsen. Inzwischen haben wir sogar drei feste Mitarbeitende. Tendenz steigend. Jemand hat diesen Tipping Point mal bezeichnet als Kommunikations-Market-fit. Diesen Punkt zu erreichen und in der Lage zu sein, mit wenigen Worten Dritten gegenüber zu erklären, was man anbietet bzw. welches Problem man löst: damit haben wir wirklich eine neue Phase erreicht.
Woher nehmen Sie den Optimismus, dass sich die Unternehmen tatsächlich der Bedeutung ihres CO₂-Abdrucks oder überhaupt ihres ökologischen Fußabdrucks zukünftig verstärkt widmen werden? Zurzeit scheint das Thema ja eher etwas in den Hintergrund zu geraten.
Aleff: Ich habe für mich erkannt, dass ich an nichts arbeiten werde, was keinen tieferen ökologischen oder sozialen Sinn hat. Von daher gibt es für mich nur die Option weiterzumachen und sich für das Richtige einzusetzen. Woher ich den Optimismus nehme, dass das funktionieren wird? Ich glaube, das liegt daran, dass ich sehr strategisch denke. Wir gehen nicht an den Markt und sagen: Hey, jeder muss jetzt grün sein, sondern wir sagen: Ökologisch orientiertes Wirtschaften wirkt sich unmittelbar auf den Umsatz aus. Wir haben umweltseitig total viele Finanzhebel, die die Produktionskosten massiv senken können. Klar ist die Wirtschaftslage gerade sehr unbefriedigend. Die Industrie und auch die Politik haben da einiges versemmelt. Aber Aufhören ist keine Lösung. Was wäre das Leben noch ohne Hoffnung.
Stand: Oktober 2024
Die Initiative Exzellenz Start-up Center.NRW fördert das Projekt „Building Europe’s leading integrated Tech Incubator“ an der RWTH Aachen.
- Start-up Talk
- Interview mit Dana Aleff, Co-Founderin der Circonomit GmbH
- Interview mit Pia Hildebrandt, Co-Founderin der concepte Solutions GbR
- Interview mit Moritz Schmidt, Co-Founder der utilacy GmbH
- Interview mit Tobias Barg und Dr. Felix Sümpelmann, Co-Founder der aalto Health GmbH
- Interview mit Dr. Katharina C. Cramer, Gründungsteam Tiller Alpha
- Interview mit Felix Kathöfer, Co-Founder der KATMA CleanControl GmbH
- Interview mit Ronja Weidemann, Fabienne Ryll und Abirtha Suthakar, Gründungsteam PhosFad
- Interview mit Benjamin Kasten, Co-Founder der ladeplan UG (haftungsbeschränkt)
- Interview mit Prof. Dr. Rafael Kramann, Prof. Dr. Rebekka Schneider, Co-Founder der Sequantrix GmbH
- Interview mit Yasin Demir, Co-Founder der GreenDeal GbR
- Interview mit Katharina von Stauffenberg, Co-Founderin von comuneo
- Interview mit Sven Maihöfer, Co-Founder der xemX materials space exploration GmbH
- Interview mit Dr. Johannes Wappenschmidt, Co-Founder der Vintus GmbH
- Interview mit Tobias Burger, Co-Founder der red cable robots GmbH
- Interview mit Philipp Pflüger, Co-Founder der ChemInnovation GmbH
- Interview mit Deniz Ates, Co-Founder der Who Moves UG (haftungsbeschränkt)
- Interview mit Jakob Vanhoefer, Gründer der LightningPose GmbH
- Interview mit Dr. Reza Esmaillie, Co-Founder der Detechgene GmbH
- Interview mit Lukas Klaßen, Co-Founder von „Knowledge in a Box“
- Interview mit Dr. Philipp Wrycza, Co-Founder der Logistikbude GmbH
- Interview mit Christoph Milder, DEVITY-Team
- Interview mit Jonas Spieth, Co-Gründer der lodomo GmbH
- Interview mit dem Gründungsteam der Laminar Solutions UG (haftungsbeschränkt)
- Interview mit Alexander Pöhler und Xiaojun Yang, Gründungsteam der assemblean GmbH
- Interview mit Marc Leonard Leineweber, Gründungsteam HoLa
- Interview mit Dr. Niklas Hellemann, Co-Founder der SoSafe
- Interview mit Hendrik Bissing, Gründungsteam SLVISIONS
- Interview mit Elena Kirchner, Co-Gründerin der umaversum reproductive health GmbH
- Interview mit Gerrit Agel, Co-Gründer der CYBRID GbR
- Interview mit Lena Benecken, Co-Gründerin der EASI Control GmbH
- Interview mit Sinem Atilgan, Co-Grünerin der 4traffic SET GmbH
- Interview mit Doris Korthaus, Co-Gründerin der Korthaus Pumpen GmbH
- Interview mit Dr.-Ing. Friederike Kogelheide, Gründungsteam Glim Skin
- Interview mit Moritz Schmidt, Teammitglied von Gemesys
- Interview mit Dr. Alexander Schneider und Michael Birkhoff, Co-Gründer der schnaq GmbH
- Interview mit dem Gründungsteam von Acuire
- Interview mit Dr.-Ing. Peter Schlanstein und Niklas Steuer, Co-Gründer der HBOX Therapies GmbH
- Interview mit Sven Wauschkuhn, Co-Gründer der Excellence Coatings GmbH
- Interview mit Anne Janser, Co-Gründerin von WorXplorer
- Interview mit Paul Sabarny und Lilian Schwich, Gründungsteam der cylib GmbH
- Interview mit Stefan Paulus, Co-Gründer der azernis GmbH
- Interview mit Steffen Gerlach, Co-Gründer der EEDEN UG (haftungsbeschränkt)
- Interview mit Sandra Stoppert, Gründerin von „Grünes Konfetti“ und „Tanzraum Remscheid“
- Interview mit Dr. David Dung, Gründungsteam Midel Photonics
- Interview mit Dr. Michael Schmidt, Co-Gründer von ESKITEC
- Interview mit Magnus Schückes, Co-Gründer der Elona Health GmbH
- Interview mit Alexander Haufschild, Co-Gründer der socialbnb GmbH
- Interview mit Jan Bernholz, Co-Gründer der eseidon GmbH“
- Interview mit Dr. Robert Brüll, Co-Gründer der FibreCoat GmbH
- Interview mit Dr. Matthias Kiel, Geschäftsführer der qubeto GmbH
- Interview mit Marius Ruhrmannm, Geschäftsführer der MapAd GmbH
- Interview mit Sigrid Dispert, Gründungsteam Memogic
- Interview mit Nathalie Prokop, Co-Gründerin von noho
- Interview mit Michael Rieger, Co-Gründer der FreeD Printing GmbH
- Interview mit Dr. Timo Bathe und Alexander Ott, die Gründer der [Tool]Prep UG (haftungsbeschränkt)
- Interview mit Sarah Theresa Schulte, Co-Gründerin der AllCup GbR
- Interview mit Christoph Seidenstücker, Co-Gründer der Pixel Photonics UG
- Jochen Schwill, Next Kraftwerke GmbH
- Thomas Roth, Co-Gründer des Medizintechnik-Start-ups InnoSurge AC
- Start-up Profiles