„Die Nähe zu potenziellen Kunden ist das Wichtigste: mit anderen reden, Meinungen ernst nehmen und Kontakte pflegen.“
„Hinter dieser Maschine steckt ein bisschen Hühnerstall, eine Prise Innovation und eine ganze Menge Machermentalität.“ So steht es auf der Webseite von KATMA CleanControl. 2022 haben Felix und Patrick Kathöfer die GmbH gegründet. Seit dem stoßen sie mit ihrem KI-basierten Reinigungssystem für Lkw-Laderäume auf jede Menge offene Türen. Den guten Start verdanken die beiden Brüder nicht nur dem engen Austausch mit Unternehmen aus der Logistik- und Speditionsbranche, sondern auch der garage33 im TECUP – Center für Transfer durch Existenzgründung an der Universität Paderborn. Im folgenden Interview berichtet Felix Kathöfer über seine Erfahrungen als Gründer und welche Rolle der Hühnerstall dabei gespielt hat.
Herr Kathöfer, Sie haben gemeinsam mit Ihrem Bruder ein vollautomatisiertes Reinigungssystem für Lkw-Laderäume entwickelt. Reicht es nicht, wenn die Ladefläche nach der Fahrt mit dem Besen gefegt wird?
Kathöfer: Nein, ganz und gar nicht. Im Gegenteil! Stellen Sie sich vor, ein Lkw kommt im Hamburger Hafen mit einer Ladung Düngemittel an. Als Rückladung muss er Sojasprossen transportieren. Da muss natürlich zwischendurch der Laderaum, der sogenannte Aufleger, intensiv gereinigt werden, um eine Verunreinigung der Sojasprossen mit Düngemitteln zu vermeiden. Gerade Lkw, die sensible Güter, wie Lebensmittel, Fleisch, pharmazeutische Produkte, Futtermittel bis hin zu Abfällen transportieren, müssen nach hygienischen Standards gereinigt werden, damit keine Kontamination oder Rekontamination durch die Vorladung entstehen.
Und wie kann man sich diese Reinigung vorstellen?
Kathöfer: In der Regel geht ein Mitarbeiter mit einem Hochdruckreiniger in den Laderaum und reinigt die Ladefläche, die Seitenwände und die Decke. Der Laderaum ist dann wirklich sauber, aber die Arbeit ist sehr mühselig und nervig. Das macht niemand gerne. Man hat ja nicht nur mit jeder Menge Wasser zu tun, was gerade in den Wintermonaten nicht sehr angenehm ist, sondern auch mit chemikalischen Reinigungsmitteln und natürlich dem ganzen Dreck, den man da beseitigen muss. Hinzu kommen auch gesundheitliche Risiken durch Bakterien oder Viren, wenn vorher Fleisch oder Schlachtabfälle transportiert wurden. Ein weiteres Problem ist, dass es zunehmend an Mitarbeitern fehlt, die den Job übernehmen könnten. Und zu guter Letzt steht nicht überall, wo ein Lkw entladen wird, ein Equipment zur Verfügung, das eine wirklich hygienische Reinigung gewährleistet.
Und dazu bieten Sie eine Alternative an?
Kathöfer: Ja, wir haben ein System entwickelt, das rund um die Uhr eine vollautomatisierte Reinigung des kompletten Lkw-Laderaums ermöglicht. Ergänzend dazu erhält das Speditionsunternehmen direkt nach erfolgreicher Reinigung ein digitales Reinigungszertifikat nach HACCP Standard. Das spielt eine wichtige Rolle in der Branche, da mit dem ganzen Thema Reinigung auch Haftungsfragen, Audits und Qualitätssicherungsmaßnahmen verbunden sind, vor allem dann, wenn sensible Güter transportiert werden.
Und wie funktioniert Ihr Reinigungssystem?
Kathöfer: Wir haben uns bei der Entwicklung sehr eng am Alltag von Lkw-Fahrerinnen und Lkw-Fahrern orientiert. Die sollten sich nicht auf etwas Neues einstellen müssen, sondern einen möglichst einfachen Zugang zu unserem System erhalten. Das fängt mit der Buchung des Reinigungsvorgangs an. Im Lkw ist ein Ortungsgerät installiert, über das der Fahrer erfährt, wo sich der nächste Standort mit unserem KATMA CleanControl befindet. Über das Ortungsgerät bucht er auch den Reinigungstermin.
Sobald er den Standort unserer „Reinigungsmaschine“ erreicht hat, öffnet der Fahrer die hinteren Türen und dockt, wie bei einer Laderampe, rückwärts an ein fünf mal drei Meter großes Gehäuse an. Dort braucht er nur noch auf „Start“ zu drücken. Damit aktiviert er unseren patentierten Roboter. Der fährt aus der Basisstation in den LKW-Laderaum und führt dort ein Reinigungsprogramm inklusive Desinfektion durch. Das ganze System: Der Roboter und das Gehäuse bilden ein schlankes Add-on, das vor Ort bei den Speditionen oder auch an Waschanlagen aufgestellt werden kann.
Sie beide kommen nicht aus der Speditionsbranche. Wie sind Sie auf die Idee gekommen?
Kathöfer: Wir hatten beide eine Ausbildung als Zerspanungsmechaniker bzw. Automatisierungstechniker bei Miele in Gütersloh absolviert. Danach hat mein Bruder an der Hochschule Düsseldorf Elektrotechnik studiert. Wir hatten also weder mit Lkws noch mit Reinigungsmaschinen zu tun, hatten aber Erfahrungen hinsichtlich Automation und Digitalisierung in der Industrie gesammelt. Durch Zufall haben wir dann eines Tages bei der Reinigung eines Lkw zugesehen. Uns schien das sehr ineffizient und aufwändig zu sein. Eigentlich wunderten wir uns, dass es da nichts Besseres gab, zumal uns als Laien direkt ein paar Ideen dazu einfielen. Also sagten wir uns: Das kann man auch anders machen.
Und warum steckt hinter Ihrer Idee bzw. Maschine nicht nur eine Prise Innovation und eine ganze Menge Machermentalität, sondern auch ein bisschen Hühnerstall?
Kathöfer: Weil es hier in Ostwestfalen auf dem Land wirklich sehr viele Hühner und entsprechend viele Ställe gibt. Davon stehen viele leer und sind zu vermieten. Wir haben damals also die Chance genutzt und uns in einem ehemaligen Hühnerstall einquartiert, um den Prototyp für unsere Maschine zu bauen. Man könnte auch sagen, was im Silicon Valley die Garage, ist in Ostwestfalen der Hühnerstall.
Über drei Ecken kam dann der Kontakt zur Wirtschaftsförderung Gütersloh zustande, die uns anbot, eine Veranstaltung durchzuführen, um unseren Prototyp regionalen Logistik- bzw. Speditionsunternehmen vorzustellen. Und tatsächlich sind dann Vertreterinnen und Vertreter großer regionaler Unternehmen gekommen, die sehr positiv auf unsere Idee reagiert haben. Das war natürlich eine tolle Erfahrung und auch der Startschuss dafür, dass wir unsere Idee ernsthaft weiterverfolgt haben. Inzwischen haben wir uns sogar wieder in einem Hühnerstall eingemietet – die Geschichte setzt sich also fort.
Sie wurden bei Ihren Gründungsvorbereitungen auch vom TECUP – Center für Transfer durch Existenzgründung an der Universität Paderborn unterstützt. Wie kam der Kontakt zustande?
Kathöfer: In der ersten Phase hatten wir uns ausschließlich auf die Entwicklung unseres Produkts konzentriert und dazu sehr viele und intensive Gespräche mit Unternehmen aus der Speditions- und Logistikbranche geführt. Unser Ziel war es, ein durch und durch praxisnahes und problemlösendes Angebot zu entwickeln. Insofern war der enge Austausch ungemein hilfreich und auch auf menschlicher Ebene eine sehr schöne Erfahrung. Irgendwann war dann aber klar, dass wir uns auch auf die Gründung unseres Unternehmens vorbereiten mussten. Also haben wir im Internet recherchiert, welche Angebote es in unserer Umgebung gibt und sind so auf die garage33 vom TECUP an der Universität Paderborn gestoßen.
Und haben dann direkt Kontakt aufgenommen?
Kathöfer: Ja, das war wirklich eine sehr herzliche Begrüßung und Aufnahme. Seitdem sind wir mit dem Team sehr eng verbunden. Gleich zu Beginn hatten wir Gelegenheit, erstmal unseren ganzen Use Case durchzuspielen, um zu sehen, wohin die Reise überhaupt gehen kann. Das war schon mal eine gute Orientierung. Die weitere Evaluierung unserer Business-Idee und unsere Gründungsvorbereitungen fanden dann im Rahmen des garage33 Accelerators statt.
Gab es bei der garage33 etwas, von dem Sie sagen würden, dass es Sie so richtig nach vorne gebracht hat?
Kathöfer: Das war in erster Linie das Mentoring. Durch diesen Blick von außen durch unseren Mentor kamen nochmal ganz neue Gedanken und Fragestellungen hinzu. Mein Bruder und ich sind ja sehr technikaffin und weniger kaufmännisch orientiert. Von daher war dieser Blick auf den Markt und die denkbare Entwicklung des Unternehmens sehr hilfreich.
Gab es auch Dinge, die Ihnen eher Kopfschmerzen bereitet haben?
Kathöfer: Wenn man Hardware entwickeln und produzieren möchte, benötigt man dafür relativ viel Kapital. Wir mussten uns also auf die sehr zeitaufwändige Suche nach Förderprogrammen, Investoren und anderen potenziellen Geldgebern machen. Gleichzeitig mussten wir uns um die Entwicklung unserer Maschine kümmern. Das alles unter einen Hut zu bekommen, war eine der großen Hürden. Am Ende haben wir es aber ganz gut hingekriegt.
Auch die Finanzierung?
Kathöfer: Ja, wir haben zunächst ein EXIST-Gründungsstipendium erhalten. Der 12-monatige Zuschuss hat uns wirklich sehr geholfen, den Markt intensiv zu analysieren. Außerdem hatten wir genug Freiraum, um unser System zu testen und weiterzuentwickeln. Was die Anschlussfinanzierung betrifft, hatten wir das große Glück, einen Business-Angel aus der Logistikbranche für uns zu gewinnen, der einfach sehr gut zu uns passt. Er hilft uns sowohl strategisch als auch finanziell unglaublich bei der Entwicklung unseres Produkts bis hin zur Marktreife.
Damit stand sicher auch die Frage des Geschäftsmodells im Raum. Wie sieht das aus?
Kathöfer: Wir haben uns für ein Pay-per-Use-Geschäftsmodell entschieden. Das heißt, wir verdienen unser Geld pro Reinigung und stellen die Maschine dort auf, wo Bedarf besteht und es einen geeigneten Standort gibt. Das kann auf dem Hof von großen Speditionen sein, das können aber auch Schlachthöfe, Warenlager, Waschanlagen usw. sein. Möglich ist auch, dass sich mehrere kleine Speditionen eine Maschine teilen.
Sie haben 2022 die KATMA Engineering GmbH gegründet. Wie ist es Ihnen seither ergangen?
Kathöfer: Ich bin sehr zufrieden. Es hat sich bewährt, dass wir sehr bodenständig mit geringen finanziellen Mittel gestartet sind. Das fing mit dem Bau eines Demonstrators und der Präsentation vor regionalen Unternehmen im besagten Hühnerstall an. Danach ging es Schritt für Schritt weiter – immer nah am Kunden. Dieses Netzwerk, das daraus entstanden ist und das sowohl fachlich als auch menschlich sehr gut funktioniert, sehe ich als sehr großen Erfolg.
Sie stehen kurz davor, in Serie zu produzieren. Wie gehen Sie bei der Akquise vor?
Kathöfer: Wir sind massiv im Direktvertrieb unterwegs und stoßen auf sehr großes Interesse bei den Unternehmen. Wir nehmen inzwischen an Netzwerkveranstaltungen und Fachmessen in ganz Deutschland, in den Niederlanden und der Schweiz teil und stehen im engen Kontakt mit vielen Verbänden, wie zum Beispiel einem großen Kühllogistikerverband im Süden Deutschlands.
Es geht also voran?
Kathöfer: Auf jeden Fall. Unsere Lösung findet sehr viel Zustimmung in der Branche. Außerdemhalten wir mehrere Patente und wurden mehrfach ausgezeichnet. Ganz besonders freuen wir uns natürlich darüber, dass wir ein tolles Team mit 11 Mitarbeiterinnern und Mitarbeitern aufgebaut und seit 2023 sogar unseren ersten Auszubildenden eingestellt haben.
Welchen Tipp können Sie anderen Gründerinnen und Gründern geben?
Kathöfer: Die Nähe zu potenziellen Kunden ist das Wichtigste: mit anderen reden, Meinungen ernst nehmen und Kontakte pflegen. Darauf kommt es an.
Weitere Informationen:
Stand: Juni 2024
Die Initiative Exzellenz Start-up Center.NRW fördert das Exzellenz Start-up Center Ostwestfalen-Lippe (ESC.OWL) an der Universität Paderborn.
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