„Der inCUBE-Inkubator an der Ruhr-Universität Bochum war mit seinem Branchenfokus auf IT-Security eine wirklich große Bereicherung für uns.“

v.l.n.r.: Moritz Schmidt, Sebastian Overhage, Dr.-Ing. David Niehues und Amin Faez
© Fotostudio Shooting Star, Wuppertal

Der Austausch zwischen Unternehmen ist wichtig, um das eigene Angebot zu optimieren und sich einen Überblick über den Markt zu verschaffen. Nur: Was tun mit all den persönlichen oder unternehmensinternen Daten, die man seinem Wettbewerber trotz des engen Austauschs lieber nicht zur Verfügung stellen möchte? Oder aus Datenschutzgründen nicht zur Verfügung stellen darf? Das Team der utilacy GmbH hat dafür eine technische Lösung an der Bergischen Universität Wuppertal entwickelt. Aktuell bereiten sich die Gründer Dr.-Ing. David Niehues, Amin Faez, Sebastian Overhage undMoritz Schmidt auf den Markteintritt vor. Dabei werden sie gleich in doppelter Hinsicht unterstützt: Zum einen vom Start-up Center der Bergischen Universität Wuppertal und zum anderen vom WORLDFACTORY Start-up Center der Ruhr-Universität Bochum. Wie es dazu kam, erzählt Moritz Schmidt im folgenden Interview.

Herr Schmidt, Sie entwickeln gemeinsam mit Ihren Co-Foundern eine Plattform, die den Datenaustausch zwischen Unternehmen ermöglicht, ohne dass dabei sensible Informationen preisgegeben werden. Können Sie das einem Laien etwas näher erklären?

Schmidt: Die kryptographischen Techniken, die wir verwenden, funktionieren ungefähr so: Angenommen eine Gruppe von Freunden möchte gerne wissen, wer in der Gruppe das höchste Gehalt bekommt. Gleichzeitig möchte niemand sein eigenes Gehalt dem anderen mitteilen. Unsere Techniken ermöglichen es der Freundesgruppe, durch geschickte kryptographische Berechnungen beides gleichzeitig zu erreichen: Die Gruppe erfährt, wer das höchste Gehalt hat und kein bisschen mehr.

Dieses Prinzip lässt sich auf jede denkbare Datenanalyse übertragen. Zum Beispiel können Unternehmen eine Liste gemeinsamer Lieferanten berechnen, ohne einander oder Dritten etwas über andere Lieferanten zu verraten. Oder: Krankenhäuser an einem bestimmten Ort können die gesamte Bettenauslastung im Ort berechnen, ohne einander die individuelle Bettenauslastung mitzuteilen. Diese Datenanalysen werden heute praktisch nicht durchgeführt, da die Unternehmen einander nicht genug vertrauen. Wir können dieses mangelnde Vertrauen durch kryptographische Techniken ersetzen.

An welche Unternehmen und Branchen richtet sich Ihr Angebot?

Schmidt: Grundsätzlich werden wir uns recht breit aufstellen. Aktuell ist die Versicherungsbranche für uns interessant. Wir haben es hier mit Konzernen oder sehr großen Unternehmen zu tun, die in verschiedene Organisationseinheiten unterteilt sind. Diese voneinander getrennten Abteilungen dürfen zum Beispiel untereinander keine Daten über Versicherungsnehmer austauschen, weil damit persönliche Angaben verknüpft sind. Das macht die Kommunikation natürlich sehr schwierig. Mit Hilfe unseres Systems können diese Daten nun so umgewandelt werden, dass sie nicht mehr erkennbar sind. Im Ergebnis kann sich Organisationseinheit A also mit Organisationseinheit B zum Beispiel darüber austauschen, welche Versicherungsprodukte von wie vielen Kundinnen und Kunden in welchen Regionen genutzt werden.

Darüber hinaus sehen wir noch viele weitere Anwendungsbereiche für unsere Plattform. Mittelständische Unternehmen zum Beispiel können darüber Informationen austauschen, um sich miteinander zu vergleichen und Benchmarkergebnisse zu erzielen, die wiederum in die eigenen Entscheidungsprozesse einfließen können.

In welchem Kontext ist diese Plattform bzw. Technologie denn entstanden?

Schmidt: Die Gründungsidee entstand am Lehrstuhl für IT Security und Cryptography von Prof. Dr.-Ing. Tibor Jager an der Bergischen Universität Wuppertal. Dort reifte die Erkenntnis, dass verschiedene kryptografische Verfahren an sich schon lange gut erforscht und eigentlich längst praxisreif sind, sie aber häufig noch nicht den Weg in die praktische Anwendung gefunden haben. Von daher hatten wir die Idee, die einzelnen Technologien auf einer digitalen Plattform zu bündeln, um sie niederschwellig und nutzungsabhängig bepreist allen interessierten Unternehmen anzubieten.

Sie sagen, das Team kommt vom Lehrstuhl für IT Security und Cryptography an der Uni Wuppertal. Können Sie etwas zu den Teammitgliedern sagen?

Schmidt: Der initiale Funke für die Idee kam von meinem Teamkollegen Dr.-Ing. David Niehues, der bei uns für die Forschung und Produktentwicklung zuständig ist, und seinem Doktorvater Prof. Dr.-Ing. Tibor Jager. Amin Faez hat sein Masterstudium mit Fokus im Bereich Secure Software Engineering im vergangenen Jahr an der Uni Paderborn abgeschlossen und ist bei uns für die Weiterentwicklung der Plattform und ebenfalls für die technische Produktentwicklung zuständig. An Bord ist außerdem Sebastian Overhage, der sich im Rahmen seiner Forschung mit dem Thema digitale Plattformen beschäftigt hat. Er kümmert sich um die strategische Ausrichtung und die finanziellen Aspekte unseres Unternehmens und ist für die Geschäftsführung der utilacy GmbH zuständig. Ich selbst habe in der Vergangenheit bereits als Key Account Manager im Bereich Datenschutz und Datensicherheit gearbeitet und bin bei utilacy für die Bereiche Marketing und Vertrieb zuständig. Als Wirtschaftsinformatiker und aufgrund unserer Praxiserfahrungen verfügen Sebastian und ich außerdem über das notwendige betriebswirtschaftliche Know-how.

Bei Ihren Gründungsvorbereitungen werden Sie nicht nur von der Bergischen Universität, sondern auch von dem WORLDFACTORY Start-up Center an der Ruhr-Universität Bochum betreut. Wie kam es dazu?

Schmidt: Da wir an der Uni Wuppertal beschäftigt waren bzw. dort studiert und geforscht haben, führte uns der erste Weg zunächst einmal in das dortige Start-up Center. Mit dessen tatkräftiger Unterstützung haben wir den Antrag für EXIST-Forschungstransfer gestellt. Darüber hinaus haben wir uns dann einfach umgeschaut, welche regionalen und überregionalen Angebote und Netzwerke für Gründungsteams es in den Bereichen IT-Security und Datenschutz gibt. Und da sind wir sehr schnell auf die Ruhr-Universität Bochum und ihr WORLDFACTORY Start-up Center gestoßen. Überzeugt hat uns da nicht nur das Netzwerk, sondern vor allem auch das fünfmonatige Inkubatorprogramm inCUBE. Das war ein ganz großer Pluspunkt für uns. Der Inkubator richtet sich nämlich speziell an Gründungsteams aus den Bereichen IT-Security und zukünftige Kommunikationstechnologien.

Das heißt, Sie sind mit einem Bein noch im Start-up Center der Bergischen Universität und mit dem anderen Bein in der WORLDFACTORY der Ruhr-Universität?

Schmidt: An der Uni Wuppertal werden wir im Rahmen von EXIST-Forschungstransfer von Prof. Dr.-Ing. Tibor Jager fachlich betreut. Außerdem haben wir unseren Unternehmenssitz bislang noch im Start-up Center. An der Ruhr-Universität Bochum wiederum werden wir, wie gesagt, durch den inCUBE-Inkubator sowie durch das WORLDFACTORY Start-up Center mit seinem großen Netzwerk unterstützt. Dazu gehört auch die gemeinsame Teilnahme an Events wie dem Future Tech Fest in Düsseldorf oder im November an der Slush in Finnland. Das sind alles wichtige Termine, die nicht zuletzt unsere Außendarstellung fördern. Ein kleines Highlight war dabei auch der Demo Day des WORLDFACTORY im April, bei dem wir den vierten Platz belegen konnten.

Was war denn aus Ihrer Sicht ganz besonders hilfreich für Sie? Was hat Sie so richtig nach vorne gebracht?

Schmidt: Da muss ich noch einmal die Teilnahme am inCUBE-Inkubator nennen, der uns mit einem Branchenfokus auf IT-Security sehr praxisnahe und wertvolle Erkenntnisse für unsere Unternehmung geboten hat und eine wirklich große Bereicherung für uns ist. Weiterhin durften wir im Rahmen von EXIST-Forschungstransfer an einer Fortbildung zur Teamentwicklung teilnehmen, bei der wir unsere Zusammenarbeit im Team nochmals stark verbessern konnten.

Abgesehen davon haben wir mit Unterstützung des Start-up Centers in Wuppertal 2022 den Gründungspreis+ im Rahmen des Gründungswettbewerbs – Digitale Innovationen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz gewonnen. Das ist natürlich ein toller Bonus. Dadurch erhielten wir nicht nur zusätzliche Unterstützung von Fachleuten, sondern auch ein Preisgeld, das wir für unser Gründungsvorhaben gut gebrauchen konnten.

Sie befinden sich in der ersten Phase von EXIST-Forschungstransfer. Wie geht es danach weiter?

Schmidt: Die Phase 1 läuft noch bis Ende dieses Jahres. Wir haben uns aber mit Unterstützung des WORLDFACTORY und des inCUBE nach einer geeigneten Anschlussfinanzierung umgesehen und sind dabei auf das Förderprogramm StartUpSecure des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gestoßen. Die Chancen, dass wir die Mittel im nächsten Jahr erhalten, stehen sehr gut.

So weit, so gut. Aber gab es auch besondere Herausforderungen?

Schmidt: In der Frühphase eines Start-ups gibt es natürlich etliche Aspekte, die man beachten muss. Wobei für uns vor allem die Rechtsberatung eine ziemliche Herausforderung war. Wir bewegen uns im Bereich Datenschutz und IT-Sicherheit. Da gibt es natürlich eine Fülle rechtlicher Regelungen. Zu Beginn der Unternehmung haben wir aber etwas unterschätzt, wie hoch die Kosten für die diversen Rechtsberatungen wirklich ausfallen.

Was ist demgegenüber besonders gut gelaufen?

Schmidt: Zum einen freuen wir uns sehr über die bereits erwähnten Preise und Förderungen.

Ein großer Erfolg ist auch, dass wir einen Pilotkunden haben und damit sozusagen den ersten Schritt in den Markt machen können. Wir sind auch gerade dabei, mit weiteren potenziellen Projektpartnern zu sprechen. In Zukunft wollen wir außerdem Unternehmensverbände als Multiplikatoren gewinnen, um darüber mehr für die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen zu werben und das alte Denken „Jeder für sich“ aufzubrechen.

Ein Erfolg ist zweifellos auch, dass wir bereits ein Patent erhalten haben und ein zweites kurz vor der Einreichung steht.

Zu guter Letzt: Haben Sie noch den einen oder anderen Tipp für andere Gründungsteams?

Schmidt: In jedem Fall sollte man sich nach geeigneten Förderprogrammen umsehen. Was gibt es bundesweit? Was bietet das jeweilige Bundesland an? Für die Antragstellung wird immer ein Businessplan erwartet. Insofern sollte man sich auch damit frühzeitig beschäftigen, zumal ein Businessplan mit dem Fortschreiten der Gründung ohnehin immer wichtiger wird.

Was wir anderen Teams sonst noch mit auf den Weg geben können, ist, sich über Inkubatoren oder Acceleratoren zu informieren. Die können einem als Start-up extrem weiterhelfen – auch mit ihren Netzwerken. Dieser Know-how-Transfer ist einfach enorm wichtig, um zu erfahren, welche Stellschrauben man bewegen muss, um sein Start-up zum Erfolg zu führen.

 Weitere Informationen:

utilacy GmbH

Stand: September 2024

Die Initiative Exzellenz Start-up Center.NRW fördert das Projekt WORLDFACTORY Start-up Center (WSC) an der Ruhr-Universität Bochum (RUB).