„Das Ideation Programm der RWTH Innovation war für uns ideal.“
Kaum ein elektrisches Gerät kommt heute ohne Batterien, genauer gesagt ohne Lithium-Ionen-Batterien, aus: seien es Haushaltsgeräte, PCs, Tablets, Radios u.v.m. Ein riesiges Anwendungsfeld stellt darüber hinaus der gesamte Bereich der E-Mobility dar – ob Kfz, Pedelecs oder Scooter. Nur: Was tun mit den alten Batterien? Und vor allem: Wie können die wertvollen und seltenen Rohstoffe, die in den Batterien verbaut werden, der Industrie wieder zur Verfügung gestellt werden? Mit dieser Frage haben sich Lilian Schwich und Paul Sabarny an der RWTH Aachen beschäftigt. In langjähriger Forschungsarbeit haben sie ein innovatives Recyclingverfahren entwickelt, das sich deutlich von bestehenden Verfahren unterscheidet. Gemeinsam mit Dr. Gideon Schwich hat das Team 2022 die cylib GmbH gegründet. Unterstützt wurde es dabei von der RWTH Innovation, dem Gründungszentrum der RWTH Aachen.
Frau Schwich, was ist das Besondere an dem Recyclingverfahren für Lithium-Ionen-Batterien, das Sie gemeinsam mit Ihren Kollegen entwickelt haben?
Schwich: Unser Recyclingverfahren für Lithium-Ionen-Batterien unterscheidet sich im Vergleich zum Stand der Technik auf verschiedenen Ebenen. Zunächst einmal ist es ganzheitlich. Das bedeutet, der Prozess verläuft End-to-End: aus ausgedienten Batterien werden marktfähige Rohstoffe für den Bau neuer Batterien gewonnen. Ganzheitlich bedeutet auch, dass wir uns alle technologischen Elemente, die in einer Batterie verbaut werden, ansehen und extrahieren. Dazu gehören Lithium, Mangan, Kobalt, Nickel, Aluminium und Kupfer und nicht-metallische Komponenten. Lithium und Graphit werden gegenwärtig in der Europäischen Union nicht recycelt. Dass wir diese Stoffe zurückgewinnen, entspricht also einem hohen Innovationsgrad. Unser Fokus liegt zudem darauf, den Prozess besonders umweltverträglich, das heißt mit möglichst wenigen Additiven, zu realisieren. So können wir Lithium und Graphit fast ausschließlich mit Wasser mobilisieren.
Sabarny: Natürlich haben wir auch Wettbewerber. Die meisten konzentrieren sich aber nur auf die Erzeugung von sogenannter Black Mass. Dabei handelt es sich um ein komplexes Gemisch verschiedener Rohstoffe, das beim Schreddern von Batterien entsteht. Diese Black Mass wird in der Regel nach Asien oder Nordamerika exportiert, wo sie in riesigen Anlagen für den erneuten industriellen Einsatz weiterverarbeitet wird. Damit gehen wertvolle Rohstoffe wie Lithium, Kobalt oder Graphit ins Ausland. Nicht umsonst hat die Europäische Union diese sowie weitere Stoffe auf die Liste der kritischen Rohstoffe gesetzt. Dabei handelt es sich um Materialien, die innerhalb der EU eine hohe wirtschaftliche Bedeutung haben, die aber weltweit sehr knapp sind. Unser Verfahren bietet die Möglichkeit, die Rohstoffe aus der Black Mass zu extrahieren, so dass diese gar nicht erst die EU verlassen, sondern hier wieder von der Industrie eingesetzt werden können: nicht nur von Batterieherstellern, sondern auch für andere Technologieanwendungen.
Bei cylib handelt es sich um eine Ausgründung aus der RWTH Aachen. Ist die Idee auch dort entstanden?
Schwich: Ja, ursprünglich ist die Idee im Rahmen meiner Dissertation entstanden und wurde dann von Paul und mir weiterentwickelt. Dadurch haben wir uns in den vergangenen Jahren intensiv mit Fragen des Batterie-Recyclings beschäftigt.
Frau Schwich, dem Team gehört auch Ihr Mann, Dr. Gideon Schwich, an, der aber eher aus der betriebswirtschaftlichen Richtung kommt.
Schwich: Gideon hat an der RWTH Aachen Wirtschaftsingenieurwesen studiert und im Bereich Prozesstechnik promoviert. Somit bringt er in das Team sowohl betriebswirtschaftliche Kompetenzen als auch Erfahrungen für den Aufbau von Forschungseinrichtungen und Produktionsanlagen mit ein. Außerdem hat er durch seine Beratungstätigkeit im Bereich Nachhaltigkeit einen profunden Einblick darüber, wie man Prozesse umweltverträglich gestalten kann.
Bei Ihren Gründungsvorbereitungen wurden Sie von der RWTH Innovation, dem Gründungszentrum der RWTH Aachen unterstützt. Wie sah diese Unterstützung aus?
Sabarny: Als die Idee damals entstanden ist, war das Ideation Programm, das die RWTH Innovation für Gründerinnen und Gründer anbietet, ideal für uns, um das ABC der Start-up-Welt kennenzulernen. Wir waren von der ersten Minute an von diesem Programm begeistert, weil wir uns in einem großen Team gemeinsam mit anderen Gründerinnen und Gründern bewegt haben und der Austausch untereinander einfach sehr hilfreich war. Hinzu kamen zahlreiche Workshops mit Mentorinnen und Mentoren. Es war aber nicht nur das Ideation Programm, das uns sehr geholfen hat, sondern auch die intensive Beratung rund um Fragen des IP-Transfers durch das Team von RWTH Innovation.
Im Rahmen des IP-Transfers wurden die Rechte an dem Patent, das die Hochschule auf das von Ihnen entwickelte Verfahren angemeldet hatte, auf Ihr Start-up übertragen. Wie ging das vor sich?
Schwich: Da haben wir durchweg positive Erfahrungen gemacht. Natürlich bringt so ein Thema viele Diskussionen und Verhandlungen mit sich. Das ist auch gut so, denn im Endeffekt gibt es zwei Stakeholder, die Hochschule und das Gründungsteam, die ihre Interessen jeweils bestmöglich vertreten müssen. Letztendlich haben wir uns auf ein sehr gutes Modell geeinigt, das für beide Parteien wirklich fair ist. Das bedeutet, wir haben die Rechte an dem Patent erhalten, und im Gegenzug haben wir der RWTH neben einer Einmalzahlung virtuelle Anteile an unserem Unternehmen übertragen. Wenn unser Start-up durch die Decke geht, ist das damit auch für die RWTH vorteilhaft. Damit haben die ganzen Verhandlungen zu einem guten Ende gefunden, und mit der Rückendeckung der RWTH haben wir aktuell ein sehr gutes Gefühl.
Haben Sie darüber hinaus auch finanzielle Fördermittel in Anspruch genommen?
Schwich: Tatsächlich hat sich unsere finanzielle Situation sehr gut gefügt, weil wir zu einem frühen Zeitpunkt unserer Unternehmensgründung ein perfektes Match mit einem Investor gefunden haben, der mit der Batteriebranche vertraut ist. Insofern erhalten wir einen hervorragenden Support, sowohl von finanzieller als auch von fachlicher Seite.
Sind Sie denn auf die Verhandlungsgespräche mit Investorinnen und Investoren von der RWTH Innovation vorbereitet worden?
Schwich: Viele Veranstaltungen der RWTH Innovation bieten eine gute Plattform für Gründerinnen und Gründer, um mit Investorinnen und Investoren in Kontakt zu kommen. Das ist ein toller Service. Darüber hinaus hat uns unser Mentor, der uns beim Ideation Programm zur Seite gestellt wurde, über die ganzen Gos and No-Gos bei Investmentverhandlungen vorbereitet. Vermutlich wird das Thema im RWTH Incubation Program, für das wir uns gerade erst beworben haben, weiter vertieft.
Welche Rolle hat der Austausch mit anderen Gründerinnen und Gründern dabei gespielt?
Schwich: Der war sehr wichtig. Jedes Start-up hat ja seine eigene Geschichte. Insofern sind Start-up-Konferenzen, wie zum Beispiel der Pirate-Summit, super hilfreich. Das können wir auf jeden Fall jedem empfehlen.
Sabarny: Diese Start-up-Szene ist schon eine Welt für sich. Ich glaube, das Verständnis dafür, wie viel Aufwand und Leidenschaft mit der Gründung eines Unternehmens verbunden sind, können einem nur die Gründerinnen und Gründer selbst, vielleicht auch noch die Investorinnen und Investoren geben. Deswegen ist dieser Austausch sehr wichtig.
Wenn Sie auf Ihre bisherigen Gründungsvorbereitung zurückblicken: Welche besonderen Herausforderungen würden Sie hervorheben?
Schwich: Ich würde sagen, die größte Herausforderung ist, dass wir bislang noch ein relativ kleiner Player sind. Wir müssen noch daran arbeiten, unseren Platz innerhalb der europäischen Rohstoffindustrie zu finden und auf Augenhöhe in die Verhandlungen zu gehen. Das ist sicherlich eine Herausforderung, wobei ich sagen muss, dass die bisherigen Gespräche sehr gut waren. Wir haben insbesondere von der Seite der Original Equipment Manufacturer, also insbesondere der Automobilhersteller, die die Batterien in den Markt bringen, sehr großes Interesse erlebt.
Wo lernen Sie denn Ihre potenziellen Kunden kennen?
Schwich: Wir haben zwei Kundengruppen im Visier. Auf der einen Seite ist das die Gruppe der gerade genannten Original Equipment Manufacturer. Hier haben wir bereits während unserer Forschungsarbeit sehr gute Kontakte in die batterierelevante Industrie geknüpft. Auf der anderen Seite sind die von uns extrahierten Rohstoffe auch für die Chemieindustrie und Refining-Betriebe interessant. In den Branchen profitieren wir von den Kontakten von Freunden und Familienmitgliedern, die in dem Bereich arbeiten und uns bereits dem einen oder anderen Ansprechpartner vorgestellt haben. Dieses Netzwerk aus beruflichem und privatem Umfeld hilft ungemein. Hinzu kommt die zunehmende Sichtbarkeit auf Konferenzen und Events, wo wir Vorträge halten und im Nachgang in Kontakt mit interessierten Ansprechpartnern kommen.
Wie ist denn die Resonanz auf Ihre Technologie?
Sabarny: Wir erhalten sehr viel positives Feedback. Inzwischen kommen sogar die großen Player auf uns zu und signalisieren deutliches Interesse.
Wo steht Ihr Unternehmen zum jetzigen Zeitpunkt? Was stehen für Aufgaben an?
Schwich: Wir haben jetzt gerade unsere Seed-Runde geschlossen. Damit erhalten wir die nötigen Mittel, um eine Pilotanlage in Aachen in RWTH-Nähe aufzubauen. Das ist sicherlich der größte Meilenstein, der im nächsten Jahr ansteht. Außerdem haben wir ein zehnköpfiges Team zusammengestellt, das in den nächsten Monaten mit der Arbeit beginnt. Was die konkrete Anwendung unseres Verfahrens in der industriellen Praxis betrifft, sind wir derzeit in Gesprächen mit einem Umweltberater und einem Fachanwalt für Umweltrecht. Sie helfen uns, die erforderlichen juristischen Leitplanken für den späterem industriellen Betrieb zu setzen.
Sabarny: Diese Nähe zur RWTH ist uns sehr wichtig, weil es einfach immer wieder spannende Forschungsprojekte gibt, bei denen wir zusammenarbeiten können. Die Batterie-Technik entwickelt sich ja ständig weiter. Das muss man als Unternehmen einfach immer auf dem Schirm haben.
Dieser Sprung von der Wissenschaft in die Wirtschaft - ist Ihnen das eigentlich schwergefallen?
Schwich: Dieser Sprung ist uns tatsächlich auf der einen Seite schwergefallen, weil wir natürlich ein super Team am Institut in der RWTH hatten und gut zusammengearbeitet haben. Insofern ist es auf der menschlichen Ebene erst einmal schade. Aber auf der anderen Seite brechen wir jetzt zu neuen Ufern auf und freuen uns sehr, dass wir die Maschinen und Anlagen, die wir für unseren Prozess benötigen, beziehen können und autonom handeln können.
Sabarny: Dieser Wechsel in die Wirtschaft ist schon eine Erfahrung für sich. Man kann die beiden Welten kaum miteinander vergleichen. In der Wissenschaft hat man mit Fragestellungen zu tun, auf die es noch gar keine Antworten gibt. Das ist alles sehr viel offener als in einem Unternehmen. Da einigt man sich auf ein Konzept und geht an die Umsetzung. Trotz der unterschiedlichen Herangehensweise bin ich aber sehr froh, dass wir den Schritt gemacht haben.
Was würden Sie anderen Gründungsinteressierten oder Gründerinnen und Gründern, die noch in der Vorbereitungsphase sind, empfehlen aufgrund Ihrer Erfahrungen?
Sabarny: Viele Menschen haben tolle Ideen, trauen sich aber nicht, den Schritt zu machen und sie umzusetzen. Mein Tipp ist daher, es auf jeden Fall zu versuchen. Die Reise ist einfach unbeschreiblich, von daher man sollte man auf jeden Fall einmal gemacht haben.
Schwich: Ich kann nur jedem empfehlen, auf Start-up-Unternehmerinnen und -Unternehmer zuzugehen und Fragen zu stellen. Auch Probleme und Unsicherheiten sollte man offen ansprechen. Man erhält von so vielen Seiten Hilfe und Support. Uns hat es total geholfen, dass Leute, wie zum Beispiel unser Mentor Maximilian Odendahl, ihre Erfahrungen mit uns geteilt haben. Es ist wirklich eine schöne Erfahrung, zu erleben, dass die Gründungsszene so hilfsbereit und offen ist.
Stand: November 2022
Weitere Informationen:
www.cylib.de
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