„Ich habe den Eindruck, dass die Angebote für Gründerinnen und Gründer in NRW ziemlich gut vernetzt sind und man sich gegenseitig ergänzt.“

Joel Rogawski und Pia Hildebrandt
© Matthias de Vries

Den CO₂-Ausstoß in mittelständischen Industriebetrieben senken. Das ist das Ziel von Pia Hildebrandt und den Geschwistern Joel und Gil Rogawski. Im September 2024 hat das Team dafür die concepte Solutions GbR gegründet. Ihre Idee: maßgeschneiderte und optimierte Energiesysteme auf Grundlage erneuerbarer Energien entwickeln. Bei ihren Gründungsvorbereitungen wurden sie sowohl vom Gateway Exzellenz Start-up Center an der Universität zu Köln als auch vom digitalHUB Aachen und digihub Düsseldorf unterstützt. Wie es dazu kam, erzählt Pia Hildebrandt im folgenden Interview.

 

Frau Hildebrandt, Sie bieten zusammen mit Ihren Co-Foundern eineSoftwarelösung an, die den Wechsel zu einem ökologisch und ökonomisch optimalen Energiesystem ermöglichen soll. Worum geht es dabei?

Hildebrandt: Wir helfen mittelständischen Industriebetrieben dabei, ihre Energiekosten zu senken, unabhängiger von fossilen Brennstoffen zu werden und mehr erneuerbare Energien zu nutzen. Dafür bieten wir unseren Kundinnen und Kunden ein maßgeschneidertes Energiesystem, das sowohl den Kapitalwert als auch die CO₂-Einsparungen optimal gestaltet.

Das heißt, Ihre Leistungen gehen über die einer herkömmlichen Energieberatung hinaus?

Hildebrandt: Auf jeden Fall. Die meisten Energieberatungen bieten lediglich Listen von Einsparmöglichkeiten an, ohne die Wirtschaftlichkeit der vorgeschlagenen Maßnahmen im Detail zu berücksichtigen oder das gesamte Energiesystem des Unternehmens im Blick zu haben. Auch Solar- und Heizungsbauer fokussieren sich oft nur auf ihren spezifischen Expertisebereich und betrachten isolierte Lösungen, die selten auf die ganzheitlichen Anforderungen des Betriebs abgestimmt sind. Dabei ignorieren sie die enge Verzahnung zwischen Strom- und Wärmesystemen, die durch moderne Technologien wie Wärmepumpen entsteht. Im Unterschied dazu bieten wir eine umfassende und ganzheitliche Optimierung an, die sämtliche Energiesysteme integriert und gleichzeitig die ökonomischen und ökologischen Ziele des Unternehmens berücksichtigt.

Übernehmen Sie dann auch die Installation und den Umbau?

Hildebrandt: Nein, aber wir kooperieren mit Handwerksbetrieben, die das dann übernehmen. Dieses Netzwerk bauen wir Schritt für Schritt weiter aus.

In welchem Kontext ist die Idee entstanden?

Hildebrandt: Mein Kollege Joel Rogawski hat Energietechnik an der RWTH Aachen studiert. Er wollte schon immer einen Beitrag dazu leisten, um den CO2-Ausstoß in Deutschland zu senken. In seiner Master-Arbeit hat er dann Nägel mit Köpfen gemacht und sozusagen den Grundstein für unser Start-up gelegt. Er hat damals einen bestehenden, aber rudimentären Algorithmus für eine Optimierungssoftware weiterentwickelt, die sich an den Bedürfnissen einzelner Unternehmen anpassen sollte und viele weitere Funktionalitäten abdeckt. Diese Software hat er dann testweise in einem Industriebetrieb umgesetzt. Ein paar Monate später ist der Betrieb dann noch einmal auf ihn zu gekommen, weil sich ein paar Kennziffern hinsichtlich des Stromverbrauchs geändert hatten. Sie baten ihn um eine Neuberechnung und die Ausarbeitung verschiedener Szenarien – alles gegen Bezahlung. Damit war klar, dass es für seine Idee eine Nachfrage gibt und vermutlich auch weitere Unternehmen daran interessiert sein könnten.

Und wie sind Sie dann ins Boot gekommen?

Hildebrandt: Joel kam zwar von der RWTH Aachen, hat aber dann in Köln den Co-Working-Space vom Gateway Exzellenz Start-up Center der Uni Kölngenutzt. Darüber haben wir uns kennengelernt, genauer gesagt über eine Freundin von mir. Ich hatte – so wie Joel – auch an der RWTH Aachen studiert und einen Bachelor in Wirtschaftsingenieurwesen in der Fachrichtung Maschinenbau. Während meines Studiums hatte ich schon öfter mit Optimierungssoftware zu tun gehabt. Außerdem hatte ich eine Ausbildung zur Full-Stack-Entwicklerin absolviert. Genau so jemanden hatte Joel gesucht. Und für mich war die Vorstellung, ein Start-up zu gründen, ziemlich spannend. Gil, die dritte im Team, ist bei uns für Marketing und Kommunikation zuständig und bringt auf dem Gebiet jede Menge berufliche Erfahrung mit. Davon profitieren wir sehr.

Joel Rogawski und Sie kommen beide von der RWTH Aachen. Was hat Sie nach Köln ans Gateway geführt?

Hildebrandt: Ganz zu Beginn seiner Gründungsvorbereitungen wurde Joel durch den digitalHUB Aachen unterstützt. Damals hat er auch das Gründungsstipendium.NRW erhalten. Dann ist er aus privaten Gründen nach Köln umgezogen und hat dort festgestellt hat, dass das Netzwerk für Gründerinnen und Gründer in Köln viel größer ist. Es gibt hier viel mehr Leute, die Lust haben, in einem Start-up mitzuarbeiten.

Neben dem Co-Working-Space bietet das Gateway-Team noch jede Menge andere Unterstützung für Gründungsteams an. Was ist dabei aus Ihrer Sicht besonders hilfreich?

Hildebrandt: Dass wir den Co-Working-Space nutzen können, ist toll. Vor allem, weil man sich dort mit den anderen Gründungsteam total gut austauschen kann. Darüber hinaus haben wir von dem Gateway-Team jede Menge Unterstützung bei der Beantragung des EXIST-Gründungsstipendiums erhalten, das wir jetzt seit zwei Monaten bekommen. Was uns auch sehr vorangebracht hat, sind die branchenspezifischen Events mit mittelständischen Unternehmen und Verbänden. Die meisten Events sind ja eher branchenübergreifend und gehen allgemein auf die verschiedenen Herausforderungen während der Gründungsphase ein. Ich halte es aber für viel wichtiger, tatsächlich mit Branchenkennern zu sprechen, um die speziellen Anforderungen kennenzulernen, die mit dem Eintritt in den Energiemarkt verbunden sind. Außerdem ist es für ein junges Unternehmen einfach wichtig zu erfahren, wie die Branche so tickt.

Haben Sie über das Gateway hinaus auch andere Unterstützung in Anspruch genommen?

Hildebrandt: Ja. Der digihub Düsseldorf bietet mit ignition einen Accelerator für b2b-Plattform-Gründungen an. Daran konnten wir teilnehmen. Die Gründerinnen und Gründer hatten übrigens alle dieselbe Kundenzielgruppe: mittelständische Unternehmen. Insofern hat uns der interne Austausch, aber auch das Coaching, ein ganzes Stück weitergebracht. Wir müssen einfach in der Lage sein, die Probleme unserer Kunden nachvollziehen zu können. Dazu gehören die steigenden Gaspreise, überhaupt die Abhängigkeit vom Gas. Dann die vielen neuen gesetzlichen Vorschriften. Die Verpflichtung, Nachhaltigkeitsberichte zu erstellen oder das Lieferkettengesetz. Viele Unternehmerinnen und Unternehmer machen sich Gedanken darüber, was da in Zukunft noch an gesetzlichen Vorgaben kommt. Allein bei den klimarelevanten Regelungen sind natürlich alle gespannt, welche Beschlüsse die nächste COP trifft. Das sind alles große Herausforderungen. Die müssen wir kennen, um mit unseren potenziellen Kundinnen und Kunden auf Augenhöhe zu sprechen.

Und die Düsseldorfer hatten kein Problem damit, dass Sie aus Köln kamen?

Hildebrandt: Nein, das war kein Problem. Ich habe ohnehin den Eindruck, dass die Angebote für Gründerinnen und Gründer in NRW ziemlich gut vernetzt sind und man sich gegenseitig ergänzt.

Ihre potenziellen Auftraggeber sind mittelständische produzierende Unternehmen. Wie akquirieren Sie Ihre Kunden?

Hildebrandt: Wir nutzen verschiedene Kanäle. Wir rufen in den Unternehmen an und gehen auf Fachmessen. Inzwischen hat sich aber herausgestellt, dass es am wirkungsvollsten ist, wenn wir auf Veranstaltungen des Bundesverbandes Deutscher Mittelstand, des Vereins Deutscher Ingenieure und anderer Verbände oder Initiativen Vorträge halten dürfen und so unser Wissen teilen können. Das werden wir zukünftig noch intensivieren, indem wir zum Beispiel Artikel in Fachzeitschriften platzieren.

Vor kurzem haben Sie an einem Mentoring-Programm von Women Entrepreneurs in Science teilgenommen. Warum hatten Sie sich für dieses Programm beworben?

Hildebrandt: Ich suche immer nach Vorbildern aus dem technischen Bereich. Das können männliche, aber natürlich gerne auch weibliche Vorbilder sein. Der Austausch hilft mir, um besser und auch selbstsicherer zu werden bei dem, was ich tue. Die Gespräche, der Kontakt zwischen den Gründerinnen – das war meine Intention, daran teilzunehmen.

Die Tatsache, dass die Start-up-Szene und auch speziell Ihre Branche sehr männerdominiert ist, hat keine Rolle gespielt?

Hildebrandt: Doch, aber im Grunde bin ich es schon gewohnt, hauptsächlich mit Männern zu tun zu haben. Ich habe in Aachen Maschinenbau studiert, da gab es nicht so viele Frauen in meinem Jahrgang. Trotzdem habe ich die Atmosphäre dort nicht als frauendiskriminierend empfunden. Es ist mir aber wichtig, mich auch mit Frauen aus der Branche auszutauschen. Von der Gesellschaft wird man ja immer noch häufig mit dem Vorurteil konfrontiert, dass man als Frau technisch nicht so kompetent ist. Das muss man immer wieder geraderücken, sonst glaubt man es womöglich selbst irgendwann.

Was heißt „von der Gesellschaft“?

Hildebrandt: Da muss ich differenzieren. Ich würde sagen, in der Tech-Branche erfahre ich eigentlich sehr wenig Ablehnung oder Voreingenommenheit, oder dass mir das jemand nicht zutraut. Auch unsere Kunden erlebe ich immer als sehr offen und freundlich. Da zweifelt niemand an meinen Kompetenzen. Es sind tatsächlich eher fachfremde Menschen, die total überrascht sind, wenn ich davon erzähle, was ich beruflich mache. Da heißt es dann manchmal: So siehst du gar nicht aus. Kannst du das überhaupt? Das habe ich in der Start-up-Szene und auch bei unseren Auftraggebern bisher noch nicht erlebt.

Sie haben das Mentoring-Programm inzwischen abgeschlossen. Haben sich Ihre Erwartungen erfüllt?

Hildebrandt: Unabhängig vom Mentoring haben mir die Workshops sehr gut gefallen, vor allem zum Thema Impact-Start-ups. Auch der zwischenmenschliche Austausch hat gut funktioniert und war mir sehr wichtig. Gefehlt hat mir allerdings der branchenspezifische Aspekt. Das kam beim Mentoring leider zu kurz, da meine Mentorin im Food-Bereich und nicht im Energiebereich tätig war. Aber ich kann natürlich nachvollziehen, dass es nicht einfach ist, genügend Mentorinnen zu gewinnen, die sich unentgeltlich für ein solches Programm zur Verfügung stellen.

Sie hatten bereits einige Herausforderungen genannt, die Sie im Rahmen Ihrer Gründungsvorbereitungen angehen mussten. Möchten Sie noch welche ergänzen?

Hildebrandt: Ich denke, als Gründerin oder Gründer braucht man schon ein hohes Maß an Motivation. Man erlebt immer wieder Phasen, in denen man sich fragt, ob sich das Ganze überhaupt lohnt oder ob man die richtige Richtung eingeschlagen hat. Wir haben unsere Strategie bestimmt schon fünf-, sechsmal in sehr wichtigen Punkten geändert. Ich glaube, da hat vor allem auch der Austausch mit anderen Gründerinnen und Gründern geholfen, die ähnliche Phasen haben.

Aber es gab auch immer wieder Phasen, in denen es gut gelaufen ist.

Hildebrandt: Auf jeden Fall. Wir haben schon unsere ersten Kunden beraten und bekommen viel positives Feedback. Besonders stolz sind wir auf den Preis, den wir beim Gründungswettbewerb - Digitale Innovation des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz gewonnen haben. Und dass wir jetzt mit einem EXIST-Gründungsstipendium gefördert werden, ist natürlich auch toll.

Weitere Informationen:

concepte Solutions GbR

Stand: Oktober 2024

Die Initiative Exzellenz Start-up Center.NRW fördert das Projekt Gateway Exzellenz Start-up Center an der Universität zu Köln.