„Was uns einen deutlichen Schritt nach vorne gebracht hat, war unser erstes Büro, das wir hier im TecUP an der Uni Paderborn einrichten konnten.“

v.l.n.r.: Fabian Siegert, Stefan und Bernd Paulus
© azernis GmbH

Was macht die Konkurrenz? Diese Frage ist für jedes Unternehmen von Bedeutung. Das gilt auch für die Medienbranche. Vor allem News-Redaktionen müssen schnell auf Veröffentlichungen von Journalistinnen und Journalisten von anderen Online-Medien reagieren. Wie das am besten funktionieren kann, damit hat sich Bernd Paulus in seiner Masterarbeit an der Universität Paderborn beschäftigt. Damit war die Idee für eine Software geboren, die eine datengetriebene Wettbewerbsbeobachtung für News-Plattformen ermöglicht. Entwickelt hat sie Bernd Paulus gemeinsam mit seinem Bruder Stefan und dem Betriebswirt Fabian Siegert. Die drei haben im Juli 2022 ihr Start-up azernis gegründet, um ihre Software auf den Markt zu bringen – mit tatkräftiger Unterstützung des Technologietransfer- und Existenzgründungs-Centers (TecUP) der Universität Paderborn. Wie dessen Unterstützung aussah, darüber berichtet Stefan Paulus im folgenden Interview.

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Herr Paulus, Sie haben zusammen mit Ihrem Bruder Bernd sowie mit Fabian Siegert eine Software für News Publisher, also für Nachrichtenredaktionen entwickelt. Mithilfe dieser Software lassen sich die Startseiten verschiedener Pressemedien gleichzeitig beobachten. Wie kann man sich das genau vorstellen?

Paulus: Unsere Software zeigt auf einem Dashboard die Mobilansichten verschiedener Nachrichtenseiten. Journalistinnen und Journalisten müssen also nicht mehr die Webseiten von konkurrierenden Pressemedien einzeln sichten, sondern sehen auf einen Blick, was dort gerade journalistisch passiert. Das spart enorm viel Zeit. Darüber hinaus wird unter jedem Artikel, und zwar sowohl unter den eigenen Artikeln als auch unter denen der Wettbewerber, eine grüne Leiste mit zusätzlichen Informationen eingeblendet.

Um was für Informationen handelt es sich?
Paulus: Da geht es zum Beispiel um die Positionierung der Artikel. In der Mobilansicht steht ja oben immer der wichtigste Artikel, darunter der zweitwichtigste, gefolgt vom drittwichtigsten Artikel usw. Das legen die Redaktionen so fest. Diese Art von Ranking ist aber natürlich auch für andere Nachrichtenredaktionen interessant, weil sie daran erkennen können, welche Themen für die anderen Kolleginnen und Kollegen gerade wichtig sind. Eventuell müssen sie dann ihr eigenes News-Angebot nachjustieren und entweder ebenfalls einen Artikel zum selben Thema veröffentlichen oder einen passenden Artikel weiter nach oben setzen. Die Entscheidung kann aber auch lauten, einen Artikel zu einem ganz anderen Thema zu veröffentlichen, um sich von der Konkurrenz abzuheben.

Wie ist die Idee zu dieser Software entstanden?
Paulus: Ursprünglich war es so, dass mein Bruder beim Bayerischen Rundfunk bei der Nachrichtenmarke BR24 gearbeitet hat. Er ist Softwareentwickler und hat außerdem Medienwissenschaften an der Uni Paderborn studiert. Dann ist er wieder zurück zur Uni und hat dort seine Masterarbeit genau zu diesem Thema geschrieben: Wie verändern sich Nachrichtenseiten? Wie bewegen sich dort einzelne Artikel und was bedeutet das? Daraus ist dann die Idee für unsere Software entstanden.

Aus einer Masterarbeit entsteht nicht zwangsläufig eine Geschäftsidee. Wie kam es dazu?
Paulus: Bernd hat mich irgendwann gefragt, ob wir die Idee für diese Software nicht tatsächlich realisieren und uns damit selbständig machen. Bei ihm hat sicherlich eine Rolle gespielt, dass er sich beruflich neu orientieren wollte. Bei mir war es so, dass ich mich im Rahmen meines Auslandsstudiums in Finnland auch mit Entrepreneurship beschäftigt hatte und es mich einfach gereizt hat, ein eigenes Unternehmen auf die Beine zu stellen. Fachlich bin ich dafür ganz gut aufgestellt: Ich habe Wirtschaftsingenieurswesen an der Uni Paderborn studiert und mich im Masterstudium mit Data Science und Machine Learning auseinandergesetzt. Fabian ist der ehemalige Mitbewohner und Freund von Bernd und mir. Als wir ihm die Idee vorgestellt haben, war er sofort Feuer und Flamme und hat seine Hilfe angeboten. Er ist ausgebildeter Betriebswirt und schließt jetzt gerade sein Studium in den Wirtschaftswissenschaften ab.

Wie sind Sie dann weiter vorgegangen?
Paulus: Wir haben zunächst einen kleinen Prototyp entwickelt. Damit sind wir zum TecUP, dem Technologietransfer- und Existenzgründungs-Center der Uni Paderborn, gegangen und haben uns dort vorgestellt. Und dann ging es auch schon mit der ersten Beratungsstunde los. Das TecUP-Team hat uns zum Beispiel super über geeignete Fördermöglichkeiten beraten und uns im Nachgang bei der Antragstellung des EXIST-Gründerstipendiums und dem damit verbundenen Ideenpapier sehr unterstützt. Dazu gehörte auch ein begleitendes Coaching bei dem es um Fragen ging, die wir vorher noch gar nicht auf dem Schirm gehabt hatten – zum Beispiel wie wir unsere Software vermarkten können oder wie man einen überzeugenden Finanzplan erstellt.

Das TecUP bietet vielfältige Unterstützung für Gründungsteams an. Gab es da etwas, was Ihnen bei Ihren Vorbereitungen einen deutlichen Schub gegeben hat?
Paulus: Ich denke, allein, dass es eine Anlaufstelle zu allen Fragen rund um eine Unternehmensgründung gab bzw. gibt, ist schon super. Was uns dann noch einmal einen deutlichen Schritt nach vorne gebracht hat, war unser erstes Büro, das wir hier im TecUP als EXIST-Gründungsstipendiaten einrichten konnten. Einen Ort zu haben, von dem man sagen kann, das ist unser Büro, unsere Unternehmenszentrale, ist einfach Gold wert.

Bleiben wir kurz noch beim EXIST-Gründerstipendium. Das Stipendium des Bundeswirtschaftsministeriums wird für die Dauer von zwölf Monaten gezahlt. Was finanzieren Sie damit?
Paulus: Zuerst einmal natürlich unseren Lebensunterhalt. Nach Abschluss des Studiums erhält jeder Gründer 2.500 Euro, wenn man noch studiert, sind es 1.000 Euro. Das ist schon enorm viel wert, weil man sich während der Gründungsvorbereitungen keine Gedanken um seinen Lebensunterhalt zu machen braucht. Darüber hinaus erhält man mit dem EXIST-Gründerstipendium auch ein Budget für Sachmittel. Wir haben damit zum Beispiel die Reisekosten und einen kleinen Stand auf dem World News Media Congress im spanischen Zaragoza finanziert. Das war natürlich toll, weil wir dort sehr viele Kontakte zu Presse- und Rundfunkvertretern geknüpft und begeisterte Rückmeldungen erlebt haben. Die Leute sind auf uns zu gekommen und haben gesagt: „Wow, so etwas haben wir noch nie gesehen. Wann und wo können wir die Software ausprobieren?“ Da wurde uns klar, dass unsere Software nicht nur etwas für die deutsche Medienbranche ist, sondern auch im Ausland auf Interesse stößt.

Hatten Sie denn auch schon Kontakt zu Nachrichtenredaktionen in Deutschland aufgenommen?
Paulus: Wir hatten bereits während der Antragsvorbereitungen für das EXIST-Gründerstipendium bei Nachrichtenredaktionen angerufen, ihnen unsere Idee vorgestellt und bei fast allen großes Interesse geweckt – obwohl es unsere Software zum damaligen Zeitpunkt noch gar nicht gab. Wir hatten nur einen Prototyp. Aber trotzdem haben die meisten einen sogenannten Letter of Interest unterschrieben. Das war für die Beantragung von EXIST natürlich von Vorteil, weil wir dadurch zeigen konnten, dass bereits ein ernsthaftes Interesse an unserer Software besteht.

Sie haben noch eine weitere Förderung erhalten, nämlich Mittel aus dem Media Innovation Fellowship Programm der Landesanstalt für Medien NRW.
Paulus: Ja, das Programm läuft über sechs Monate und ist in zwei Phasen unterteilt. Neben Workshops, Coachings und Kontakten zur Medienbranche, gibt es ein Budget über 15.000 Euro. Damit konnten wir eine Werkstudentin finanzieren, die uns im Bereich IT und im Finanzbereich unterstützt. Ohne dieses Programm hätten wir das nicht machen können.

Gab es dennoch vielleicht auch die eine oder andere Herausforderung, mit der Sie so nicht gerechnet hatten?
Paulus: Auf jeden Fall. Wir hatten zum Beispiel ursprünglich gedacht, dass unsere Unternehmensgründung doch etwas schneller ablaufen würde. Aber die Vorbereitung der Förderanträge, die Bewilligung der Anträge, auch die Gründung selbst haben sich doch ziemlich in die Länge gezogen. Das war schon anstrengend, vor allem, wenn man bedenkt, wo man sich überall anmelden musste: beim Gewerbeamt, Finanzamt, der IHK und so weiter. Man fragt sich schon, warum man sein Unternehmen nicht zentral an einer Stelle anmelden kann und sich die Behörden dann untereinander über den ganzen Prozess abstimmen.

Inzwischen ist aber alles über die Bühne. Sie haben die azernis GmbH gegründet und sind mit Ihrer Software am Markt.
Paulus: Ja, die Software steht jetzt allen interessierten Redaktionen in einer Abo-Version zur Verfügung, also als Software-as-a-Service. Aber natürlich ist so eine Software nie wirklich fertig, sondern wird immer weiterentwickelt. Wir haben jetzt das erste große wichtige Feature, das Dashboard, fertig gestellt. Hinzu kommt ein weiteres Feature, das zeigt, wie die eigene News-Seite und die der Konkurrenten vor einer Stunde bzw. davor aussah. Ich hatte vorhin auch diese grüne Leiste erwähnt, in der alle möglichen Zusatzinformationen stehen. Dort wird zukünftig auch stehen, ob der Artikel in einem Newsletter erschienen ist, ob er als Push-Nachricht auf Mobiltelefone gesendet wurde und vieles mehr. 

Bei Softwareanwendungen besteht immer das Risiko, dass kurzerhand womöglich ein Anderer mit einer ähnlichen Idee auf den Markt kommt. Wie schützen Sie Ihr Produkt und Ihre Entwicklung?
Paulus: Leider kann man Software nicht patentieren. Das ist sehr schade. Da bleibt einem nur der kompetitive Vorteil, dass man zuerst am Markt ist und technisch die Nase vorn hat. Die große Herausforderung ist also, diesen Vorsprung beizubehalten.

Zu guter Letzt: Welche Tipps würden Sie anderen Gründerinnen und Gründern aufgrund Ihrer Erfahrung geben?
Paulus: Nicht entmutigen lassen. Es ist nicht immer einfach, aber es gibt auch immer wieder Erfolgserlebnisse. Hinzu kommt die Freiheit, die man als Selbständiger hat. Die sollte man wirklich voll auskosten. Wichtig ist auch, sich immer wieder zu vergegenwärtigen, warum man das Ganze tut. Ich glaube, dann funktioniert das auch.

Stand: Oktober 2022

 

Weitere Informationen:
azernis GmbH

Die Initiative Exzellenz Start-up Center.NRW fördert das Exzellenz Start-up Center Ostwestfalen-Lippe (ESC.OWL) an der Universität Paderborn.